Wie sieht die Familie der Zukunft aus? Die Antwort lautet: vielfältig! Alternative Lebensmodelle bereichern heute das Familienglück – wie bei Vanessa und Tamara Bösch, die zusammen mit ihrer Tochter in Form einer Regenbogenfamilie in Lustenau leben.
In Österreich ist die Ehe für alle seit 1.Jänner 2019 möglich. Trotzdem entstehen manches Mal noch Missverständnisse undIrrtümer. Vor allem die Unterschiede zwischen der sogenannten eingetragenenPartnerschaft und der Ehe für alle führen zu offenen Fragen und Verwirrungen.„Es ist immer noch jeden Tag eine Herausforderung, wenn man sich ständig outenmuss“, erzählt Tamara. Über neue Familienmodelle und ihre eigene Geschichte zusprechen, soll zu noch mehr Offenheit in der Gesellschaft beitragen. „Wirmüssen jetzt auch Vorbilder sein.“
Neues Sichtfeld.
In ihrer Jugend spielten Tamara und Vanessa gemeinsam erfolgreich Handball beim HC Lustenau, wobei Tamara im Laufe der Jahre nach St. Gallen wechselte und dann einen Profi-Vertrag in Leipzig bekam. Dass sich ihre enge Freundschaft zu mehr entwickelte, mussten auch sie selbst erst akzeptieren. „Das war auch für uns ein Prozess, in dem wir viel lernen durften“, sagen sie. Vorarlberg zu verlassen war für beide ein wichtiger Schritt: „Das hat auch unseren Horizont erweitert, wir haben neue Menschen und auch uns selbst besser kennengelernt und gesehen, dass es auch andere ‚Leute wie uns‘ gibt. In St. Gallen haben wir uns dann das erste Mal jemanden anvertraut.“
Die Großstadt Leipzig habe ihnen gut getan, auch für die Beziehung, weil es dort von Anfang an klar war, dass sie ein Paar sind. Die auslandsaufenthalte bedeuteten für sie wesentliche Schritte, um auch in Vorarlberg als Regenbogenfamilie glücklich sein zu können. „In unserer Jugend haben wir es als gesellschaftliches Tabuthema empfunden. In den vergangenen 15 Jahren hat sich jedoch schon viel verändert“, so Vanessa. Nach zwei Jahren Spielzeit in Leipzig verlegten sie ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Vorarlberg und heirateten 2018. Die eingetragene
Partnerschaft konnten sie mit dem neuen „Ehe für alle“-Gesetz aber erst im Jahr darauf umschreiben lassen. Tatsächlich dauerte es dann noch zehn weitere Monate, bis sie tatsächlich auch auf dem Papier Eheleute waren.
Familienplanung.
Dass Vanessa und Tamara gemeinsam Kinder möchten, war für sie immer schon klar. Die eingetragene Partnerschaft bzw. später die Ehe legte den Grundstein für eine künstliche Befruchtung. Beide waren sich einig, dass Vanessa das Kind zur Welt bringen wird.
Bei der Spenderauswahl konnte das Paargenau drei Wunschkriterien angeben: Haarfarbe, Augenfarbe und Größe. Diepassende Blutgruppe wählt die Vorarlberger Klinik aus. Da die österreichischeSamenbank eher klein ist, stammt ihr Spender aller Wahrscheinlichkeit nach ausder europäischen Samenbank. Grundsätzlich gibt es in Österreich nurnicht-anonyme Spenden. Möchte ein Kind ab 14 Jahren mehr über den Spendererfahren, ist die Klinik verpflichtet, die Daten weiterzugeben. Der Spenderselbst weiß nicht, wo seine Spende eingesetzt wird, und kann eineKontaktaufnahme des Kindes jederzeit verweigern. Vanessa und Tamaraunterscheiden die Begriffe Vater und Spender ganz klar und werden dies auch soihrer Tochter vermitteln. Denn für sie ist ein Vater ein Mann, der Rechte undPflichten übernimmt und sich um sein Kind kümmert. Ein Spender hingegen hilftmit seiner Samenspende Familien – wie sie es sind – den Kinderwunsch zuerfüllen.
Endlich Eltern.
„Wir haben uns vorab gründlich informiert, fragten sogar bei einem Notar nach, wie es mit Elternteil-Eintragungen auf der Geburtsurkunde des Kindes ist. Uns wurde versichert, dass es mit dem neuen Ehe-Gesetz keine Probleme geben soll. Später stellten wir leider das Gegenteil fest, was uns nicht nur hohe Anwaltskosten einbrachte, sondern auch Unsicherheit“, erklärt Tamara. „Wäre Vanessa nach der Geburt etwas zugestoßen, hätte ich für unsere Tochter keine Rechte gehabt.“ Durch das Umschreiben der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe wurde im Gesetz ein wesentlicher Paragraf nicht angepasst, wodurch Tamara nicht auf der Geburtsurkunde als Elternteil galt. Nach langen Rechtsdiskussionen mithilfe eines Anwalts bekamen sie schlussendlich die Geburtsurkunde der Tochter mit beiden eingetragenen Elternteilen ersetzt. Zu Hause gilt Vanessa als Mama und Tamara als Mami, das kann auch das Kind bereits voneinander trennen. „Wir können uns beide sehr gut vorstellen, dass unser Kind in Zukunft auch ein Geschwisterchen bekommen wird“, sagt Vanessa.
Bunter Alltag.
Das Leben als Regenbogenfamilie in Vorarlberg bringt tägliche Herausforderungen, die sie mit Humor nehmen. Es ist gleichzeitig in ihrem bisherigen Umfeld und auch immer mehr gesellschaftlich Normalität. Ihr Kind wächst mit zwei Müttern auf und kennt daher nichts anderes. Genauso normal ist es auch für die Kinder aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. „Persönlich haben wir noch nie schlechte Erfahrungen gemacht oder fühlten uns ernsthaft diskriminiert“, erzählen Tamara und Vanessa. Sie würden sich jedoch wünschen, dass die Menschen offener ihre Fragen stellen.
„Auch für uns ist vieles noch unklar. Daszeigt allein schon die Prozedur mit der Geburtsurkunde.“ Und letztendlich gehtes am Ende doch einfach darum, dass Menschen leben können, wie sie wollen.
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