Die deutsche Version des amerikanischen Hit-Formats QueerEye stößt auch in Deutschland auf große Begeisterung und lässt kein Auge trocken. Im Interview mit GALA spricht Avi Jakobs über ein Leben außerhalb der klassischen Norm, Erwartungshaltungen und warum Pronomen mehr als nur Worte sind.
David Jakobs im GALA-Interview
GALA: Du hast durch Queer Eye Germany eine immense Reichweite erhalten bist Vorbild für so viele Menschen. Damit einher geht oft eine gewisse Erwartungshaltung. Übt das Druck auf dich auf?
Avi Jakobs: Um ganz ehrlich zu sein: Ja, total. Um mit dem Druck umgehen zu können, lege ich im Moment sehr viel Wert auf Meditation, Sport und Entspannung allgemein. Ich bin wahnsinnig dankbar und sehr stolz darauf und versuche, die Reichweite zu nutzen, um für Aufklärung und mehr Sichtbarkeit sowohl innerhalb, als auch außerhalb der LGBTQIA+ Community, zu sorgen.
Wann war der erste Moment, in dem du gemerkt hast, dass du anders als die Norm der damaligen Gesellschaft warst?
Außenstehende merkten das schon im Kindergarten, ich selbst dann in der Grundschule.
Wie hat es sich für dich angefühlt, zum ersten Mal Make-up in der Öffentlichkeit zu tragen und dein wahres Ich in der Öffentlichkeit auszuleben?
Ich habe mit kleinen Schritten angefangen, denn Gegenwind tat mir schon immer weh und tut es auch nach wie vor. Klar, viel weniger als damals, aber ganz spurlos geht es auch heute nicht an mir vorbei.
Darum gibt es auch jetzt noch Tage, an denen ich nicht die nötige Dickhäutigkeit habe, geschminkt oder mit Kleidung, die für viele Menschen in die “Frauen”-Schublade gehört, vor die Tür zu gehen.
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Wie gehst du mit Anfeindungen in der Öffentlichkeit um?
Klar ist es nicht schön, für seine eigene Natur angefeindet zu werden. Ich empfinde das mittlerweile aber als Ansporn und täglichen Reminder, weiter für eine inklusive und diskriminierungsfreie Gesellschaft zu kämpfen. Viele Menschen können oft wenig dafür, wie sie fühlen – niemand ist gänzlich frei von Vorurteilen. Aber es fehlen die Berührungspunkte, um diese Vorurteile nachhaltig aus der Welt zu schaffen. Darum brauchen wir mehr Dialog, Sichtbarkeit und Aufklärung.
Seit deinem ersten Outing ist einige Zeit vergangen. Denkst du, die Gesellschaft hat dazu gelernt und ist offener geworden?
Auf jeden Fall. Es hat sich schon wahnsinnig viel getan und es finden die richtigen Diskussionen statt. Aber ich finde trotzdem, dass wir noch lange nicht an einem akzeptablen Punkt angekommen sind. Es kann nicht sein, dass die Realität so vieler Menschen aus täglichen Beleidigungen besteht. Dabei ist das Wegschauen fast genauso verletzend – da würde ich mir manchmal ein wenig mehr Zivilcourage von unseren Mitmenschen wünschen.
Auf deinem Instagramkanal machst du dich für Akzeptanz und Offenheit stark. Viele Menschen haben dennoch Vorurteile gegenüber Menschen, die nicht der klassischen Norm entsprechen. Was würdest du diesen Menschen mit auf den Weg geben?
Wir haben alle Vorurteile, ob wir wollen oder nicht, und ich glaube, die meisten Menschen wurden schon mal diskriminiert. Sich daran zu erinnern, wie sich das anfühlt, und zu hinterfragen, ob man anderen Menschen denselben Schmerz zufügen möchte, könnte ein Anfang sein. Wir suchen uns nicht aus, welche Seele in welchen Körper gestopft wird. Im Endeffekt profitieren alle davon, wenn unsere Gesellschaft als Ganzes freier und toleranter wird – auch die Menschen, die das jetzt noch nicht so sehen.
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Du hast dich für die Pronomen sie/ihr entschieden und wirbst auf Social Media dafür, dass Menschen ihre Pronomen in ihr Profil schreiben. Was hat dieser Schritt für dich bedeutet und warum war er dir so wichtig?
Es hat sich schon lange nicht mehr richtig angefühlt, wenn jemand „er“ zu mir sagte, und aufgrund des männlich gelesenen Körpers, in dem meine Seele nun mal gelandet ist, hab ich mich lange nicht getraut, das auszusprechen. Irgendwann wurde das Unwohlsein aber so groß, dass ich nicht anders konnte, als zu mir zu stehen. In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Diskussion solcher Themen, aber so stark verändert, dass sie mir die nötige Sicherheit gab, diesen Schritt endlich zu gehen. Ich glaube, heute in der Lage zu sein, selbst über die eigenen Pronomen zu bestimmen, ist eine große Hilfe für binäre und nicht binäre Transmenschen.
Hast du Tipps für Menschen, denen es noch an Mut fehlt, ihr wahres Ich in der Öffentlichkeit auszuleben?
Kleine Schritte und kleine Erwartungshaltung an sich selbst. Die einzige Person, der man etwas beweisen muss, ist man selbst. Also stecke deine Ziele nur so hoch, wie es sich für dich in dem Moment richtig anfühlt, und vergleiche dich nicht mit dem Tempo der Anderen. Du bist selbst dein:e eigen:e Lehrer:in, also sei nett und geduldig mit dir selbst, so wie du es dir von Lehrkräften, die dir in deinem Leben bisher begegnet sind, manchmal auch gewünscht hättest.
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Was erhoffst du dir von Queer Eye Germany?
Zum einen erhoffe ich mir, dass LGBTQIA+ Menschen für alle Menschen normal werden. Normal bedeutet, dass wir Teil der gesellschaftlichen Norm werden. Wir sind üblich und wir sind richtig.
In dem Format zeigen wir, dass wir für Menschen da sind, die in einer ganz anderen Realität leben als wir selbst, und dass wir uns alle gegenseitig helfen können und sollten. Ich glaube, die Sendung zeigt, dass wir alle etwas davon haben, wenn wir viele verschiedene Blickwinkel zulassen. Ich erhoffe mir, dass sich alle Zuschauenden etwas für sich selbst mit auf den Weg nehmen können. Wir sind alle richtig, wie wir sind, und verdienen, dass wir uns selbst zuhören und netter zu uns selbst sind.
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