Essen Menschen mit narzisstischen Merkmalen anders?
Das Forschungsteam rund um Renaud Lunardo, Professor an der Kedge Business School im französischen Bordeaux, hat drei Studien durchgeführt, um zu beleuchten, wie Essensentscheidungen mit der Struktur unseres Charakters, etwa einem Hang zum Narzissmus, zusammenhängen könnten. Den Teilnehmenden wurde dafür genau erläutert, wie positiv oder negativ sich bestimmte Speisen auf die Gesundheit auswirken.
"Die Idee kam mir durch eine vorherige Arbeit zum Thema Narzissmus", so Renaud Lunardo. "Die zeigte, dass die meisten narzisstischen Personen mehr Wein als andere trinken – einfach, um anzugeben." Der Wissenschaftler setzte die Annahme voraus, dass Wein im sozialen Rahmen gut ankommt, weil er ein komplexes Getränk ist. Die These war, dass dieser Zusammenhang auch für andere Lebensmittel gelten könnte, etwa besonders gesunde Speisen, die sozial ebenfalls einen hohen Stellenwert genießen.
Im Rahmen der ersten Studie wurde den insgesamt 644 Teilnehmenden Wein angeboten – inklusive der Info, dass das Getränk in großen Mengen schädlich sei, aber die enthaltenen Polyphenole durchaus eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben können. Den Teilnehmenden der zweiten Studie wurde Schokolade angeboten. Ihnen wurde gesagt, dass diese alles in allem zwar nicht unbedingt gesundheitsförderlich sei, aber aufgrund der enthaltenen Antioxidantien dabei helfen könnte, die Zellen zu schützen.
Deshalb könnten narzisstische Menschen eher zu ungesunden Lebensmitteln tendieren
In beiden Studien zeigte sich, dass Menschen mit narzisstischen Tendenzen (die allerdings nicht unbedingt der klinischen Definition von Narzissmus entsprechen mussten) sowohl mehr Wein als auch mehr Schokolade konsumierten. Laut der Studienautor:innen könnte das damit zusammenhängen, dass solche Menschen die positive Wirkung auf die Gesundheit überschätzten und die negativen eher unterschätzten. Auch einige vorherige Studien konnten diese sogenannte Optimismusverzerrung in Zusammenhang mit Narzissmus zeigen. Narzisstische Menschen neigen offenbar eher dazu, ihre eigene Anfälligkeit für negative Ereignisse herunterzuspielen, während sie die positiven Ereignisse überbetonen.
Bedeutet in diesem Fall konkret: Menschen mit einer narzisstischen Tendenz gehen wohl davon aus, dass die gesundheitlichen Gefahren von Alkohol und Süßigkeiten bei ihnen schon nicht zum Tragen kommen, während sie aber von den potenziellen positiven Effekten sicher profitieren.
Für die dritte Studie wurden 333 US-Amerikaner:innen gebeten, sich vorzustellen, dass ihnen eine Durianfrucht angeboten wird. Diese eher unbekannte Frucht sollten sie im ersten Szenario alleine zu Hause essen und im zweiten gemeinsam mit Freund:innen und Kolleg:innen. Sie wurden außerdem darüber aufgeklärt, dass Durian einen positiven Effekt auf die Herzgesundheit haben kann, gleichzeitig aber eher unangenehm riecht. Das Ergebnis: Menschen mit narzisstischer Tendenz würden im Gruppensetting offenbar weniger Durian essen – weil sie sich in Gesellschaft eher auf die negativen Effekte wie den Geruch konzentrieren.
Zusammenhang zwischen Essverhalten und Persönlichkeit in Studien bestätigt
Heißt das nun aber, dass jede Person, die hin und wieder Lebensmittel konsumiert, die ambivalente Effekte auf unsere Gesundheit haben könnten, zum Narzissmus neigt? Oder jede Person, die sich in einer Gruppe für andere Speisen entscheidet als allein?
Nein, denn für welche Lebensmittel wir uns in welchem Szenario entscheiden, unterliegt unzähligen Faktoren – Persönlichkeitsmerkmale sind nur einer davon. Aber diese und einige vorangehende Studien zeigen dennoch, dass Menschen mit narzisstischen Tendenzen Essensentscheidungen zum Teil anders treffen. Und zwar basierend darauf, wie die Lebensmittel auf andere wirken könnten und darauf, welche Effekte diese haben könnten – wobei sie diese Wirkungen häufig etwas zu optimistisch betrachten.
Verwendete Quellen: mindbodygreen.com, onlinelibrary.wiley.com, pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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