Frankfurt/Main – Die Premiere war überschaubar, fand aber an einem ehrwürdigen Ort statt: 205 deutsche Verlage hatten sich 1949 zur ersten Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche versammelt. In den darauffolgenden Jahrzehnten ist viel passiert – und wenn in diesem Jahr die 75. Ausgabe über die Bühne geht, sind die Dimensionen andere: Im vergangenen Jahr kamen 93.000 Fach- und 87.000 Privatbesucher, über 4000 Aussteller aus 95 Ländern waren dabei.
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„Die Frankfurter Buchmesse ist die weltgrößte Bücherschau. Was hier passiert, hat internationale Bedeutung“, sagte Kulturstaatsministerin
Eigentlich reicht die Geschichte der Buchmesse sogar noch weiter zurück als 75 Jahre, erklärt Buchmessenchef Juergen Boos: Frankfurt sei bereits im 15. Jahrhundert, in Zeiten von Johannes von Gutenberg, zentraler Messeplatz des Buchhandels gewesen. Boos ist sich sicher, dass die Messe auch in der heutigen digitalisierten Welt unverzichtbar ist. „Unsere Nach-Pandemie-Erfahrungen haben gezeigt, dass Begegnungen so immens wichtig sind.“ Es gehe um die Zufälligkeiten und das spontane Aufeinandertreffen. Man brauche den Input, die Ideen und das gegenseitige Vertrauen. „Das kann keine digitale Kommunikation ersetzen.“
Boos: Buchmesse ist auch politisch
Und Frankfurt sei ein idealer Standort für die Buchmesse, „auch weil die Stadt vor dem politischen Hintergrund, den wir weltweit haben, ein sicherer Hafen ist“. Viele Gäste aus der ganzen Welt müssten erleben, „dass sie nicht schreiben dürfen, was sie wollen oder dass sie nicht lesen dürfen, was sie wollen“. Und: „Das vergessen wir hier manchmal, was das für ein Gut ist.“
Für Boos ist die Buchmesse seit jeher auch politisch – und auch in diesem Jahr spiegele sie aktuelle Krisen und Konflikte wider. Da sei die israelische Sängerin, die auf Farsi singen werde. Oder da sei der große ukrainische Stand, den die Messe gemeinsam mit dem Goethe-Institut, dem Auswärtigen Amt und weiteren Unterstützern ermögliche. Einen russischen Stand werde es im zweiten Jahr des russischen Angriffskriegs dagegen abermals nicht geben.
Boos geht zudem davon aus, dass keine iranischen Verlage ausstellen werden, nachdem Salman Rushdie in Frankfurt den diesjährigen Friedenspreis erhalten wird. Der 76-Jährige wurde im vergangenen Sommer bei einem Attentat schwer verletzt – mehr als 30 Jahre nachdem der frühere Revolutionsführer im Iran, Ayatollah Chomeini, wegen Rushdies Roman „Die satanischen Verse“ 1989 per Fatwa zur Ermordung des Autors aufgerufen hatte.
Unseld: Messe „der Höhepunkt des Jahres“
Der Verleger Joachim Unseld (Frankfurter Verlagsanstalt) ist im 75. Jahr der Buchmesse das 50. Mal als Verleger dabei. An seine erste Buchmesse als Besucher kann er sich gar nicht mehr erinnern – er war zu klein. Als Sohn des Suhrkamp-Verlegers war er dabei, „seit ich laufen kann“. Bis heute ist die Messe „der Höhepunkt des Jahres“.
In 75 Jahren habe sich die Messe in vielen Punkten zum Guten entwickelt, sagt Unseld: Frankfurt habe von Leipzig gelernt und „die Messe nach draußen getragen“, Lesungen in der Stadt organisiert und ein größeres Publikum erreicht. Eine gute Idee sei es auch gewesen, die Bekanntgabe des Deutschen Buchpreises auf den Vorabend der Messe zu legen und damit „einen Paukenschlag“ zu setzen.
Einen Kritikpunkt hat Unseld aber: Für Verlage wie auch für Autoren wäre es aber besser, wenn die Messe früher im Jahr stattfinden würde, glaubt der FVA-Verleger. Im Oktober ist das Herbstprogramm bereits erschienen, die großen Neuerscheinungen sind besprochen. „Die Messe ist zu spät. Unseld hofft, dass die Buchmesse nach dem Corona-Einbruch wieder zu alter Stärke zurückfindet. Sicher ist das nicht, sagt Unseld: „Einige Verlage machen sich Gedanken, ob sie den Aufwand noch weiter betreiben.“
Es wird auch um Künstliche Intelligenz gehen
Trotz Tradition und Nostalgie will die Messe auch mit der Zeit gehen. Bei der diesjährigen Ausgabe wird Künstliche Intelligenz (KI) eine große Rolle spielen – und das in verschiedenen Aspekten. „Es geht um Urheberschutz und geistiges Eigentum: Wir müssen klären, was ist schützenswert und was nicht – und wem die Inhalte gehören“, sagt Boos. „Und natürlich geht es auch um das Thema Übersetzungen, und welche Qualität die KI dabei aufweisen kann.“ Dass KI die Buchkultur und das Geschichtenerzählen verdrängt, glaubt Boos nicht. „Aus meiner Sicht kann die KI keine originären Geschichten erzählen“. Stattdessen greife sie nur auf etwas zurück, was schon einmal war – auf die Informationen, mit denen sie gefüttert wird.
Für Kulturstaatsministerin Roth ist das Jubiläum selbst der beste Beweis für den Erfolg: „Was gut ist, das hat Bestand!“ Die Ministerin wünscht der Buchmesse, „dass sie so unverzichtbar und politisch bleibt wie bisher, mit der Zeit geht und so – auch im hohen Alter – jung bleibt“. © dpa
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