Wählerischer Weltstar: Klaus Maria Brandauer wird 80

Wien – „Du trägst die Haare anders.“ Ein schnippischer Kommentar zu seiner mutigen Frau, die nach strapaziösem Abenteuer im Feldlager der kriegslustigen Männer in Kenia ungebeten auftaucht, ist alles, was Baron Bror von Blixen-Finecke alias Klaus Maria Brandauer über die Lippen bringt. Die Rolle des untreuen, selbstverliebten, aber nicht gänzlich unsympathischen Gatten in „Jenseits von Afrika“ (1985) hat den Ruf des Österreichers als Weltstar abgerundet. Schon zuvor hatte Brandauer im Bond-Film „Sag niemals nie“ (1983) den Bösewicht gegeben und in „Mephisto“ (1981) als biegsamer Schauspiel-Karrierist zu Zeiten der Nazis brilliert. Der Streifen bekam den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Brandauer feiert am 22. Juni seinen 80. Geburtstag.

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Berühmt, wenn nicht berüchtigt, ist Brandauer für seine Eigensinnigkeit. „Ich gebe zu, ich habe mich immer als Mitleser und Mitregisseur gefühlt. Wenn ich am Abend nicht das machen kann, was ich möchte, dann muss ich passen“, sagte Brandauer jüngst der Wiener Zeitung „Der Standard“. Und er erlaubte sich auch, wählerisch zu sein. „Ich hatte großartige Möglichkeiten, die ich selber spürte, aber manchmal habe ich gedacht, ach, das mache ich doch nicht. Manchmal nach einem Gespräch, manchmal auch erst nach drei Proben. Da gibt’s nur ehrlich sein“, sagte der Mime dem „Hamburger Abendblatt“.

Die Liste seiner Bühnen-, TV- und Filmcharaktere ist dennoch beeindruckend – und begleitet von teils hymnischen Kritiken und vielen Preisen. Dutzende Auszeichnungen für Leben und Werk hat er bekommen, darunter den Golden Globe, den Deutschen Filmpreis, den „Bambi“, das Filmband in Gold, den Deutschen Schauspielerpreis und den Nestroy-Theaterpreis. Grundlage seines Auftretens sei, dass er keine Rolle, sondern Stücke spiele. Er kenne ein Stück einfach in- und auswendig. „Mit jeder Faser meines Denkens verleibe ich es mir ein“, so Brandauer zum „Standard“.

Dreamteam mit dem Regisseur Peter Stein

Und er wusste nach eigenem Bekunden schon immer, dass er auf die Bühne wollte. Auch andere erkannten sehr früh sein Talent. Als er mit seinen Eltern im badischen Grenzach wohnte, spielte er in der Volksschule den aufmüpfigen „Struwwelpeter“. Der Schuldirektor bewies Kennerblick und sagte: „Der wird mal ein Schauspieler“, erinnerte sich Brandauer einmal.

Der deutsche Südwesten war lange Brandauers Heimat. An der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart studierte er zwei Semester, 1963 gab er in Shakespeares „Maß für Maß“ am Landestheater in Tübingen sein Debüt. Nach Stationen in Salzburg und Düsseldorf wurde Brandauer 1972 Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Die 1980er Jahre brachten viele Höhepunkte. In Salzburg gab er bei den Festspielen jahrelang höchst überzeugend den „Jedermann“, in der Wiener Burg in 100 Aufführungen den Hamlet. Ab 1996 unterrichtete er 15 Jahre lang am renommierten Max-Reinhardt-Seminar die Kunst, eine Rolle zu gestalten.

Die intensive Zusammenarbeit mit Regisseur Peter Stein trug beiden den Titel ein, das „Dreamteam des werktreuen Literaturtheaters“ zu sein. Legendär wurde die zehnstündige „Wallenstein“-Inszenierung Steins am Berliner Ensemble 2007 mit Brandauer in der Titelrolle. Auch ein gebrochener großer Zeh mit folgendem großen Gips – ein Bühnenarbeiter war ihm in einer Umbaupause mit einer tonnenschweren Wand über den Fuß gefahren – hielt Brandauer nicht vom Auftritt ab. Er setzte sich für einige Vorstellungen in den Rollstuhl. Triumphe feierte er in Berlin auch als Dorfrichter Adam in Kleists „Der zerbrochne Krug“ und in Salzburg in der Sophokles-Tragödie „Ödipus auf Kolonos“ 2010.

Geburtstag auf der Bühne

In den vergangenen Jahren hat sich Brandauer nicht zuletzt als Vorleser profiliert. Bei zahlreichen Auftritten auch in Deutschland zitierte er im Programm „Mozart! Brandauer liest Mozart“ aus dem Briefwechsel zwischen dem Salzburger Musik-Genie Wolfgang Amadeus und seinem Vater Leopold. Seinen Geburtstag feiert er fast folgerichtig lesend auf der Bühne. Am Burgtheater, wo er zuletzt vor zehn Jahren als König Lear auf der Bühne stand, interpretiert er Thomas Bernhards „Minetti“. Darin reist ein alter Schauspieler nach Oostende, um mit einem Schauspieldirektor sein Comeback als Lear – die Rolle, die ihn einst berühmt gemacht hat – zu regeln. Doch der Intendant erscheint nicht und der gescheiterte Theaterkünstler begeht Suizid.

Brandauers Halt ist seine um rund 30 Jahre jüngere Frau Natalie und die große Liebe zur Heimat – dem malerischen Altaussee. „Ich gehe da gerne um den See, das sind ziemlich genau sieben Kilometer – das mache ich schon seit Jahrzehnten“, sagte Brandauer jüngst der dpa. „Ich kenne fast alle großen Bäume und quasi jeden Stein. Und da sind ja auch die Berge, etwa der Dachstein, mit allen bin ich per Du.“ Und er will weiter spielen. „Ich habe nicht vor, mich aufs Altenteil zu setzen. Man kann mich jederzeit anrufen! Den Lear würde ich gern noch mal spielen, ich muss mir nur überlegen, wo“, sagte er dem „Standard“. © dpa

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