Royal Ascot: Das feinste Hütchenspiel der Welt

Royal Ascot: Das feinste Hütchenspiel der Welt

Alles zur Rennwoche

Wenige Tage nach der Geburtstagsparade „Trooping the Colour“ für König Charles III. (74) wartet schon das nächste Highlight. Mit Royal Ascot steht das Pferderennen des Jahres vor der Tür. Auch Charles wird beim großen, wenn nicht dem größten gesellschaftlichen Ereignis Englands mit dabei sein, obwohl er, im Gegensatz zu seiner Mutter, mit Pferden nicht viel am Hut hat.

Davon abgesehen wird er selbstverständlich in Ascot das Erbe seiner Mutter Queen Elizabeth II. (1926-2022) antreten und als Monarch der Rennwoche (20.-24. Juni) beiwohnen. Mit routiniert herzlicher Teilnahme, sodass die britischen Medien berichten können: „The King was very amused!“ Mehr geht nicht an königlicher Begeisterung.

Andererseits wird das in England auch vom König erwartet, schließlich ist Royal Ascot nicht nur das glanzvollste Pferderennen der Welt, sondern auch eine königliche Erfindung. Am 11. August 1711 fanden auf Initiative von Königin Anne (1665-1714), übrigens die letzte Monarchin aus dem Hause Stuart, die ersten Rennen in Ascot/Grafschaft Berkshire westlich von London statt, nur zwölf Kilometer vom königlichen Residenzschloss Windsor Castle entfernt. Sieben Pferde, denen man ein Gewicht von 76 Kilogramm aufgesattelt hatte, mussten über eine Distanz von 6.437 Metern um die Wette galoppieren.

Daraus hat sich unter der Schirmherrschaft des britischen Königshauses ein Fünf-Tage-Event entwickelt mit dem in England und vermutlich auch weltweit bedeutendsten Galopprennen. Von Dienstag bis dem darauffolgenden Samstag werden auf einem Gelände, das in Besitz der britischen Krone ist, insgesamt 35 Rennen abgehalten.

Höhepunkt ist am Donnerstag der Ascot Gold Cup für vierjährige und ältere Tiere über eine Distanz von 4.023 Metern. Dabei treten die weltbesten Pferde und Jockeys an. Zum absoluten Ascot-Champion wurde der irische Hengst „Yeats“, der von 2006 bis 2009 vier Mal hintereinander das Gold-Cup-Rennen gewann. Erfolgreichster Reiter: der Engländer Lester Piggot (1935-2022), der zwischen 1957 und 1982 elf Mal den Gold Cup als Jockey gewann.

Königin Elizabeth II. war von allen Royals die engagierteste Ascot-Patronin, die so viel Zeit wie nur irgend möglich mit ihren Tieren verbrachte und Ascot seit 1945 nur ein einziges Mal verpasste: Das war 2020, als die Rennen wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer stattfanden.

Bereits als kleines Kind saß die enthusiastische Pferdenärrin mit drei im Sattel, ihren letzten Ausritt machte sie mit 96 Jahren nur wenige Monate vor ihrem Tod. Ohne die dynastischen Zwänge der Thronfolge wäre sie am liebsten Tierärztin oder Pferdetrainerin geworden.

Entsprechend ambitioniert war auch der Reitstall der Queen, die zeitweise über 100 Pferde besaß. Er galt als einer der besten Großbritanniens. 2008 gewann ihr Hengst „Free Agent“ das Rennen „Chesham Stakes“ für Zweijährige. Und fünf Jahre später galoppierte ihre Stute „Estimate“ im Gold Cup auf den ersten Platz. Es war das erste Mal, dass ein Pferd der Krone in der Königsdisziplin von Ascot gesiegt hatte.

Im vergangenen Jahr musste die Königin ebenfalls passen, ihr Gesundheitszustand war schon zu schlecht. Sie wurde erstmals von ihrem Sohn, Kronprinz Charles, vertreten, eine Aufgabe, die er mit der gewohnten Leutseligkeit bewältigte.

Nun ist Charles als König neuer Schirmherr. Man sagt ihm eine gewisse Abneigung gegen Pferderennen nach, doch natürlich wird er bei Ascot präsent sein. Charles war früher er ein passionierter Reiter, der seine Leidenschaft mit etlichen Knochenbrüchen bezahlen musste. Vor allem das Polospiel hatte es ihm angetan, er spielte über 40 Jahre lang auch in High-Goal-Turnieren. Beim Polospiel lernte er in den 1970er-Jahren auch seine spätere Frau Camilla (75) kennen. Nachdem er 2001 bei einem Polo-Match vom Pferd gefallen und eine kurze Zeit bewusstlos war, hörte er 2005 ganz mit diesem Sport und der Reiterei auf, „in Würde, aber mit Bedauern“, wie er sagte. Sein lädierter Rücken lasse ihm keine andere Wahl.

Es gab Spekulationen, wonach Charles auch auf Ascot verzichten würde. Diese Gerüchte wurden vor allem durch die Nachricht genährt, der König habe von den Pferden, die er von seiner Mutter geerbt hatte, 14 Zuchtstuten versteigert, darunter die beiden bekannten Tiere „Just Fine“ und „Love Affairs“. Das Aktionshaus Tattersalls sagte der „BBC“, dass die Versteigerung nicht ungewöhnlich sei. „Sie verkaufen jedes Jahr Pferde … Man kann sie nicht alle behalten“, erklärt ein Tattersalls-Sprecher. Der Verkauf bedeute nicht, dass das Königshaus damit dem Pferderennsport den Rücken kehren wolle.

So wird König Charles die Renntage mit seinem Einzug eröffnen, das heißt, er und seine Frau Camilla fahren in der offenen Landauer-Kutsche von Schloss Windsor nach Ascot zur Rennbahn. Diese Auftritte hatte er letztes Jahr bravourös hingelegt – in perfektem Outfit, das schon im Jahr 1800 durch den legendären Dandy George „Beau“ Brummell festgelegt wurde: Die Herren tragen „morning dress“, einen möglichst ascot-grauen oder schwarzen Cutaway und Zylinder, schwarze Schuhe, Weste, weißes Hemd und Krawatte. Halstuch oder Fliege sind nicht erlaubt.

Für die Damen sind „respektable“ Kleider vorgeschrieben, Knie, Taille, Bauch und Schultern müssen bedeckt sein, Kopfbedeckung ist Pflicht. So lauten die Regeln. Doch der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hier wollen alle der 70.000 glänzen, die jeden Tag nach Ascot pilgern.

Für die Damen heißt das: aufwendige Kleider in Bonbonfarben, dazu noch aufwendigere Hüte. Nirgendwo auf der Welt sieht man kreativere Kopfbedeckungen, auch nicht beim Karneval in Rio. Der Höhepunkt ist die Hut-Parade am „Ladies Day“, dem Damentag am Donnerstag, an dem auch der Ascot Gold Cup ausgetragen wird. Motto: Je auffälliger, desto besser.

Auffällig ist auch der lockere Umgang mit hochwertigen Getränken. Die Veranstalter rechnen mit einem Verbrauch von 180.000 Flaschen Champagner, über 120.000 Flaschen Wein und an die 15.000 Flaschen Pimm’s. Letzterer ist ein würziger, leicht bitterer Likör, der mit Zitronenlimonade oder Ginger Ale gemixt und mit Gurke, Apfel, Minze oder Orangenscheiben serviert wird.

Das kann ordentlich reinhauen, wie Bilder beweisen, die immer wieder Damen zeigen, denen der Alkohol die Beine weggezogen hat. Anwohner schimpfen, dass besonders am „Ladies Day“ schon morgens Horden von betrunkenen Damen die Heidelandschaft unsicher machen.

Schon vor Jahren berichtete die „Westdeutsche Zeitung“ von „Prügelszenen“, die das „gediegene Miteinander“ überschattet haben: „Herren im edlen Zwirn drohen einander mit Rosé-Champagner-Flaschen von Laurent Perrier, Fäuste fliegen, Zylinder purzeln, und schließlich fließt noch Blut.“ Deshalb sollen an den Eingängen Sicherheitsleute mit Alkoholmessgeräten dafür sorgen, dass angetrunkene Besucher erst gar nicht auf das Gelände kommen.

Eine andere strenge Regel wurde schon vor Jahren abgeschafft: Lange Zeit hatten geschiedene Personen der Gesellschaft offiziell keinen Zugang zur Royal Enclosure. In diesen abgeschlossenen Besucherbereich haben nur geladene Gäste nach vorheriger Bewerbung unter Benennung von bereits zutrittsberechtigten Bürgen Zutritt. Wegen der zahlreichen Ehescheidungen innerhalb der königlichen Familie wurde diese Vorschrift fallengelassen. 

spot on news

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel