Technologie allein ist nicht die Lösung

Die Sache mit denTrends ist zweischneidig, sagtMarkus Mailer vom Arbeitsbereich für intelligente Verkehrssysteme derUniversität Innsbruck.

Aktuellheißt es bei der Mobilität nicht, „wohin“ der Trend geht, sondern wohin ergehen „muss“. Universitätsprofessor Markus Mailer appelliert gemeinsam mitanderen Forscherinnen und Forschern unter anderem für Temporeduktionen aufÖsterreichs Straßen. Den VN erklärt er, wie wir 2040 unterwegs sein sollten undwieso.

Wohin gehtder Trend bei der Mobilität?

Wir sprechen aktuell bei der Verkehrsplanung von einerTrendumkehr. Früher hat man bei Verkehrsmasterplänen auf Vorhersagen reagiert.Nun sind wir eher in einer Phase, in der wir erkennen: Da, wo die Reisehingehen würde, haben wir eigentlich keine Zukunft. Daher spricht man heute voneiner Angebotsplanung für ­eine Verkehrswende.

Können Siedafür ein Beispiel nennen?

Durch die Motorisierung gehen weniger Menschen zu Fuß,da wir unsere Städte autofreundlich umgebaut haben. Immer weniger Menschen sindauch mit dem Rad gefahren. In den 70er-Jahren hätte man also, rein von derNachfrage betrachtet, nichts für die Radfahrer getan, da es so wenige gab.Dennoch wurde damals wieder damit begonnen, für die Radfahrer eine eigeneInfrastruktur zu schaffen – und damit ist der Anteil in den Städten wiedergestiegen.

Woran könnensich also heute Verkehrsmasterpläne orientieren?

Wenn wir uns den Mobilitätsmasterplan für 2030anschauen, der 2019 erstellt wurde, geht es genau in diese Richtung. Die Frage ist nicht mehr, wohin sich unser Verkehr entwickelt,sondern man geht vom Klimaziel 2040 aus, das auf der Klimakonferenz in Parisberuht und danach werden die Weichen gestellt.

Wie nimmtman die Menschen mit?

Die Mobilität heute ist so, wie wir sie seit den50er-Jahren gestaltet haben, als wir gedacht haben, wir müssen auf dieMotorisierung reagieren. Über Jahrzehnte wurde ein System für „autogerechte“Städte entwickelt. Im Prinzip braucht es eine ähnliche Konsequenz in derUmgestaltung für ein System, das zukunfts­tauglich ist. Nur haben wir jetztkeine Jahrzehnte mehr Zeit.

Sie habensich mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen auch für Tempo 100/80/30exponiert. Wieso?

Mobilität muss sicher, gesund, leistbar und sozialverträglich sein. Es geht nicht nur darum, Klima- und Umweltziele zu erreichen,sondern auch wieder mehr Lebensqualität in unsere Städte und Orte zu bringen.Dazu gehört auch Verkehrssicherheit und Lärmreduktion. Das Klimaziel ist eingroßer, wichtiger Baustein, den man mit klugen Maßnahmen aber auch einfach„mit­erledigen“ kann.

Die Menschensind, wie Sie gesagt haben, an diese Form der Mobilität seit den 50er-Jahrengewöhnt. Wie wichtig sind psychologische Faktoren?

Jede Veränderung ist etwas, das für Menschen mitUnsicherheit behaftet ist. Es hilft aber nicht nur, den Menschen immer mitAppellen für Verhaltensänderungen zu konfrontieren. Wenn man sein Verhaltenändern will, muss es auch funktionieren und das Angebot passen. Wenn ichprobiere, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und mich an einer Kreuzung zuTode fürchte, werde ich nicht zum Alltagsradler. Erst wenn die ­Erfahrungpositiv war, wird ­eine Routine gegen eine andere ausgetauscht.

WelchenBeitrag wird Technologie spielen?

Die Technologie wird eine wichtige Rolle spielen, aberes nicht allein schaffen. Es geht auch darum, Technologien effizienteinzusetzen, was gerade bei Wasserstoff oder E-Fuels infrage steht. Dennbesonders E-Fuels sind in­effizient. Da geht es nicht um Denkverbote, das istausreichend durchdacht. Man muss ins Tun kommen und aufpassen, dass es keineunbeabsichtigten Nebenwirkungen gibt.

Inwiefern?

Man kennt das zum Beispiel von Airbnb. Nach denSchlagwörtern war etwas Nachhaltiges beabsichtigt. In Wirklichkeit macht esauch den Wohnungsmarkt kaputt. Darauf muss man bei allen Technologielösungenachten, zum Beispiel bei virtueller Mobilität. Das betrifft etwa Homeoffice,Onlineshopping, Videokonferenzen. Auch Homeoffice kann negative Folgen haben,da die Menschen doch raus wollen und ihre Freizeit und Arbeitswege dann anders gestalten.Webkonferenzen ersetzen hingegen viele Flug­reisen. Onlineshopping hatbekanntermaßen viele negative Auswirkungen, auch was die lokale Wirtschaftbetrifft.

Bringt dieEnergiekrise einen Schub?

Ja, aber in Tirol wurde zum Beispiel schon lange vor derEnergiekrise gesagt, dass man auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht so vielGeld in arabische Länder überweisen, sondern eigenständig sein will und lieberdie lokale Energiegewinnung forciert.

Wird esnotwendig sein, dass weniger Autos unterwegs sind?

Diese Trendumkehr ist noch zu wenig ausgeprägt. Aber es gibt Ansätze, auf die man ­aufbauen kann. Ich bevorzuge den Begriff Verkehrswende und nicht Mobilitätswende. Denn das klingt sonst so, als wäre das einProgramm des Einzelnen, der sich nur selbst in den Spiegel schauen und ändernsoll, egal wie das System ist. Es müssen aber die Vor­aussetzungen geschaffen werden.Es geht nicht nur damit,das gewünschte ­Verhalten zu fördern, sondern es mussauch das ­ungewünschte ­Verhalten ­erschwert werden. Dafür ist ein Bewusstseinwichtig. Sonst überlebt man politisch solche Maßnahmen auch nicht.

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