Eine KritikvonChristian Stüwe Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Zwischen der Familie Peters und ihrem Vermieter Gerald Bender kracht es andauernd. In der Wohnung der Peters schimmelt es, was der Familie zufolge den Vermieter herzlich wenig kümmert.
Mehr News über TV-Shows
Der Vermieter wiederum behauptet, die vierköpfige Familie um die alleinerziehende Mutter Sarah hätte die Wohnung heruntergewirtschaftet und würde überall Müll herumliegen lassen. Der Streit eskaliert, als ein China-Böller in Benders Cabrio geworfen wird und der Vermieter vor Schreck gegen eine Hauswand fährt.
Wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung steht nun Jaron Peters, der Sohn von Sarah, vor Gericht. Der 18-jährige Metallbauer-Azubi war schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, als er einen Briefkasten mit einem Böller gesprengt hatte. Außerdem hatte er dem Vermieter eine drohende Sprachnachricht geschickt.
Aber hat Jaron wirklich den Böller in das Cabrio geworfen und den Unfall verursacht? Das war die Frage, um die sich am Montagnachmittag die erste Folge von „Ulrich Wetzel – Das Jugendgericht“ drehte.
Jeden Nachmittag ist Gerichtsshow-Marathon auf RTL Das neue Format ist die nächste Stufe eines wahren Gerichtssoap-Marathons, den RTL künftig an jedem Wochentag ausstrahlt. Um 15:00 Uhr läuft „Barbara Salesch – Das Strafgericht“, danach folgt von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr „Ulrich Wetzel – Das Strafgericht“, am Vormittag laufen zusätzlich Wiederholungen der beiden Gerichtsshows.
Der 66-jährige Wetzel kommt beim RTL-Publikum und den Sender-Verantwortlichen offensichtlich so gut an, dass dem TV-Richter nun nach seiner Strafgerichts-Show eine halbstündige Nachspielzeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr mit dem Jugendgerichts-Format spendiert wurde.
Laien-Darsteller tragen hölzern ihre Texte vor Dabei unterscheidet sich die Show von ihren Vorgängern nur um Nuancen und weicht kaum von dem seit Jahren bekannten Konzept des Gerichts-TV ab. Die Rollen der Angeklagten und Zeugen werden wie gewohnt mit mehr oder weniger talentierten Laien-Darstellerinnen und -Darstellern besetzt, die teilweise ziemlich hölzern ihren Text vortragen.
Lesen Sie auch: Pocher kneift: Entertainer will sich in Thailand nicht „die Fresse verbrennen“
Neben Wetzel tauchen weitere bekannte Gesichter auf, als Verteidiger von Jaron Peters ist mit Christopher Posch ein echter Veteran des Gerichtsfernsehens im Einsatz. Ab 2006 war Posch schon in „Das Jugendgericht“, der Urversion der Show auf RTL, zu sehen. Auch der aus „Richter Alexander Hold“ bekannte Staatsanwalt Stephan Lucas ist mit dabei.
Nicht sonderlich innovativ ist auch das Drehbuch der ersten Folge von „Ulrich Wetzel – Das Jugendgericht“. Der Angeklagte ist der 18-jährige Sohn einer alleinerziehenden Altenpflegerin, das vermeintliche Opfer der betont überhebliche, cabriofahrende und offensichtlich ziemlich reiche Vermieter. Dass es angesichts dieser Klischees noch eine Wendung geben muss, ist von Anfang an klar.
Der jugendliche Angeklagte wird nach dem Freispruch ermahnt Eine Zeugin gesteht schließlich, dass sie den Böller geworfen hat, weil Bender sie zuvor belästigt hatte. Die eigentliche Zeugin bekommt eine Bewährungsstrafe, der Vermieter wird zu einer Geldstrafe wegen Nötigung verurteilt. Außerdem verspricht Bender, den Peters die Renovierung zu zahlen und sie vorübergehend mietfrei wohnen zu lassen.
Jaron Peters wird zwar freigesprochen, bekommt aber vom Staatsanwalt noch die Warnung mit auf den Weg, sich künftig besser zu benehmen und seine Aggressionen in den Griff zu bekommen, um nicht bald schon wieder vor Gericht zu stehen.
Erzieherische Komponente als Besonderheit des Jugendgerichts Diese pädagogische Komponente des Jugendstrafrechts und die Schwere der begangenen Delikte ist der Unterschied zu den anderen Gerichtsshows. Während es bei „Ulrich Wetzel – Das Strafgericht“ unmittelbar zuvor noch um eine betrunkene Millionärs-Gattin ging, die in einem Luxus-Hotel mit einem Steakmesser einen Unternehmer niedergestochen haben soll, werden vor dem Jugendgericht keine Tötungsdelikte, sondern Diebstahl, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen von 14- bis 21-jährigen Jugendlichen verhandelt.
„Ich freue mich, auf Grund meiner beruflichen Erfahrung sehr, durch das neue RTL-Format den Zuschauern meine Erfahrungen auch aus diesem Bereich vermitteln zu können. Während das Erwachsenenstrafrecht überwiegend Sanktionscharakter hat, ist es Aufgabe eines Jugendrichters, auf die Jugendlichen und Heranwachsenden erzieherisch einzuwirken“, erklärte Ulrich Wetzel, der zwischen 2008 und 2011 als Jugendrichter und Jugendschöffenrichter am Amtsgericht Friedberg tätig war, in einer Pressemitteilung von RTL.
Gerichtsshows sorgen für gute Quoten bei RTL Zweifellos funktionieren die nachmittäglichen Gerichtsshows auf RTL hervorragend und sorgen für gute Quoten. Dass der Sender mit „Ulrich Wetzel – Das Jugendgericht“ nun ein drittes Format ins Rennen schickt, das sich nur minimal von den beiden anderen unterscheidet, ist nachvollziehbar.
Die Gefahr einer Übersättigung an Gerichtssoaps ist aber auf jeden Fall gegeben. Das Urteil über „Ulrich Wetzel – Das Jugendgericht“ werden deshalb die Menschen sprechen, die am Nachmittag RTL einschalten. Oder eben nicht.Verwendete Quellen: