Hässlichkeit ist eine Tugend: Piobbico rebelliert

Piobbico – Einmal im Jahr treffen sich im italienischen Piobbico die Mitglieder des Clubs der Hässlichen. Sie haben einen Präsidenten und wählen hier in einem Bergdorf zwischen Florenz und der Adriaküste den hässlichsten Mann Italiens. Wer aber in der 32-minütigen Arte-Dokumentation (Dienstag, 19.40 Uhr, „Re: Das Dorf der Hässlichkeit – Piobbico rebelliert gegen den Schönheitskult“) eine Freakshow der Hässlichen und Verdammten erwartet, braucht den Fernseher nicht einzuschalten. Er wird nämlich enttäuscht.

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Die 2000 Bewohner des kleinen, malerischen Dorfes haben sich seit Jahrzehnten dem Widerstand gegen den Schönheitswahn verschrieben. Ihr Schlachtruf: „Hässlichkeit ist eine Tugend, Schönheit ist Sklaverei.“ Wie in jedem Dorf gibt es die vermeintlich hübschen und die weniger gut aussehenden Leute – die einen mit dicker Wampe, andere schlank. Die Mitglieder des Clubs der Hässlichen kämpfen gegen diese Schubladen an und stellen fest: Hässlich kann nur die Seele eines Menschen sein.

Vielleicht mit einer Ausnahme: Unbestritten hart getroffen hat es Daniele „Poldo“ Isabettini. Der amtierende hässlichste Mann Italiens hat als 28-Jähriger einen schweren Unfall mit seinem Lastwagen. Nach 45 Tagen im Koma wacht er wieder auf. Sein Gesicht muss zehn Mal operiert werden. Ein Bein fehlt. „Ich sah aus wie ein Monster“, sagt „Poldo“. 20 Jahre lang sei er, heute 57 Jahre alt, im Krankenhaus ein und aus gegangen. „Ich habe eckige Ohren, eine seltsame Nase – und normale Augen“, sagt Isabettini, während die Kamera ihn beim Blick in den Spiegel beobachtet. „Wenn mir jemand sagt, Du bist hässlich, geht das in ein Ohr rein und beim anderen wieder raus.“ Wirklich?

Kleine Geschichten hinter den Menschen

Dass ihm jemand bei dem einmal im Jahr veranstalteten Festival der Hässlichen den Titel streitig machen will – Isabettini packt der Ehrgeiz. Die Schärpe in den italienischen Landesfarben trägt er mit Stolz und will sie nicht kampflos aufgeben.

Die Dokumentation lebt von diesen kleinen Geschichten hinter den Menschen. Wie dem ehemaligen Vereinsvorsitzenden, der sich selbst so hässlich fand und dann auf einen Brief seiner heutigen Frau antwortete. Die hatte sich an den Verein gewandt, nachdem der Verein der Hässlichen Thema in einer Fernsehsendung gewesen war. „Wenn du hier ab einem bestimmten Alter nicht verlobt warst, warst du ein Außenseiter. Ich war einer davon und fühlte mich hässlich“, erzählt er. Sechs Monate später haben die beiden geheiratet.

Oder der Brief eines Leidenden an den Verein aus dem Jahr 1988. Der Vorsitzende Giannino Aluigi liest daraus vor. „Ich habe keinen Erfolg bei Frauen und würde am liebsten sterben. Ich hoffe, Ihr versteht mich wenigstens!“.

Aluigi organisiert das Fest und nimmt ständig neue Mitglieder auf. „Selbstwert ist wichtig“, sagt er. Seit elf Jahren ist er der Clubvorsitzende. Entstanden ist das Ganze ursprünglich als Heiratsmarkt, heute versteht sich der Verein als Parodie. Mitglied werden könne jeder, sagt Aluigi, „wenn er die Werte weiterträgt“. © dpa

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