Südamerikanisches Frauenschicksal und Goethes Sohn

Frankfurt/Main – Mit ihrem Roman „Das dritte Land“ hat die venezolanische Autorin Karina Sainz Borgo ein Buch geschrieben, das mit der Wucht einer griechischen Tragödie eine Frau zwischen Flucht und Guerillakrieg beschreibt. Voller Härten und Grausamkeiten, ist der Roman immer wieder auch poetisch und voll spröder Schönheit. Etwa wenn die Protagonistin und Ich-Erzählerin Angustias ihre erste Begegnung mit Visitacion hat, der Betreiberin eines illegalen Friedhofs im Niemandsland zwischen Großgrundbesitzern und Guerillagebiet irgendwo in Südamerika: Eine schwarze Madonna, die auf einer Schutthalde gelandet ist.

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Es ist ein Leben voller Entbehrungen, Krankheiten, Gewalt und Tod, das hier geschildert wird: Angustias war mit ihrem Mann und den Zwillings-Babys unterwegs, in ein anderes Land, in eine bessere Zukunft. Doch als ihre Kinder sterben, sucht sie nach einem Stück Land, an dem sie sie begraben kann, und dort bleibt sie. „So war das Ende der Welt: Ein Haufen Staub aus den Knochen, die wir auf dem Weg zurückließen.“

Das Land, um das es geht, wird nie namentlich genannt, Parallelen zu Venezuela sind unübersehbar, doch der soziale und politische Sprengstoff zerreißt die Gesellschaft auch in anderen Ländern des Kontinents. Gewalt und Verrohung, Hoffnungslosigkeit prägen das Buch. Vollständig deprimierend ist es dennoch nicht, denn die Stärke der Frauen, die hier trotz Demütigungen, Gewalterfahrungen und Angst versuchen, die Lebenden und die Toten zu schützen, ist wie ein kleines Flämmchen Hoffnung.

Karina Sainz Borgo, Das dritte Land, S. Fischer Verlag, 317 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-10-397122-4

Im Schatten des Vaters. August von Goethe

München (dpa) – Die Nachwelt hat es nicht gut mit August von Goethe (1789-1830) gemeint. Er gilt als schwarzes Schaf seiner Familie. Nun versucht Stephan Oswald in seiner Biografie eine Ehrenrettung. Sein Buch gründet sich auf neue Materialien und Quellen wie eigenen Texten August von Goethes. Er zeigt, dass der Sohn des großen Dichters ein Leben lang unter der Abhängigkeit von seinem Vater litt. Rein äußerlich gelang August zwar eine respektable bürgerliche Karriere in der herzoglichen Verwaltung Weimars, er war Ehemann und dreifacher Vater. Aber tatsächlich laugte ihn der Dienst für seinen Vater aus. Als eine Art Faktotum managte er nach dem Tod der Mutter unter großen Mühen und persönlichem Verzicht den aufwendigen Goethe-Haushalt. Traurigerweise erlöste August erst sein durch Alkoholmissbrauch beschleunigter frühzeitiger Tod aus der Qual dieses Hamsterrades. Oswald gelingt nicht nur eine Neubewertung des Sohnes, er wirft auch ein wenig schmeichelhaftes Licht auf den Vater und Privatmann Johann Wolfgang von Goethe.

Stephan Oswald: Im Schatten des Vaters. August von Goethe, C.H. Beck Verlag, 424 Seiten, 32,00 Euro, ISBN 978-3-406-79139-0 © dpa

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