Eine KritikvonChristian Vock Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
„Hausgemacht“ – oder eher „außer Haus gemacht“? „Angeblich hausgemachtes Essen“, urteilt Off-Sprecherin Rita Ringheanu gleich zu Beginn über das Essen in deutschen Restaurants und hier setzt die jüngste Ausgabe von „ZDFbesseresser“ auch ihren Schwerpunkt: Sind die Produkte in deutschen Restaurantküchen wirklich „hausgemacht“ oder eher „außer Haus gemacht“? Sebastian Lege will also zeigen, „wie ein Großteil der Gastronomie wirklich arbeitet“, wie die Sprecherin erklärt.
Lege lädt zwei Handvoll Testesser in ein für die Reportage improvisiertes Restaurant ein und serviert ihnen dort Testgerichte. Die hat Lege zuvor „nach Art der Lebensmittelindustrie“ gekocht. Zum Beispiel Flammkuchen, Schnitzel oder Sauce Hollandaise. Die Off-Sprecherin erklärt währenddessen die einzelnen Tricks , zudem holt Filmemacher Matthias Ilnicki Stimmen von zwei Expertinnen ein.
Die Tricks der Lebensmittelindustrie An einem Flammkuchen zeigt Lege den „Belag-Trick“ . Denn so ein Flammkuchen ist nicht nur beliebt, sondern „unschlagbar lukrativ“. Der Flammkuchenteig besteht nur aus Mehl, Salz, Wasser und Öl und ist vergleichsweise schnell zusammengerührt. 20 Cent pro Flammkuchen müsse man dafür lediglich investieren. Dennoch bietet die Industrie günstige Fertigböden an, so dass sich die Restaurants hier Arbeitszeit sparen.
Richtig gespart wird dann beim Belag. Statt echtem Crème fraîche kommt eine „Industriecreme“ auf Frischkäse-Basis auf den Teig. Den Belag gibt es aus vorgefertigten Großpackungen, herstellen und backen könne so einen Flammkuchen quasi jeder. So wir gleich zweimal gespart. „Wenn ich Convenience-Produkte verwende, habe ich geringere Personalkosten und dann ist die Kalkulation am Ende trotzdem so, dass ich mehr verdiene“, erklärt Elisabeth Albrecht, Küchenmeisterin und Hotelfachfrau. Der Trick im Trick: Für vermeintlich „ausgefallenere Beläge“ müsse der Kunde unverhältnismäßig mehr zahlen.
In eine ganz andere Richtung geht „der Stabilisatoren-Trick“ und den erklärt Lege an einer Sauce Hollandaise. Die besteht eigentlich aus „Butter, Eigelb, ein bisschen Zitrone, Weißwein und ein paar Gewürzen“. Eigentlich. Doch statt die stabilisierende Butter aufwendig im Wasserbad zuzubereiten, gibt es im Restaurant mitunter billige Industrie-Soße aus der Großpackung. Und in der ist neben Wasser vieles drin, nur bei manchen Produkten eben keine Butter.
Wie das funktioniert, zeigt Lege mit entrahmter Milch, „einigen Mehlen zur Verdickung“, Xanthan zum Gelieren, Eigelb, Butteraroma, Öl und viel Wasser“. Das Problem: „Der Begriff ‚Sauce Hollandaise‘ ist nicht geschützt“, erklärt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin. Demnach müsse auch keine Butter drin sein. Und so haben billige Fertigsaucen aus der Industrie Einzug auch in deutsche Restaurants gehalten. „So sparen Restaurants viel Zeit und Geld“, so die Sprecherin.
Noch schneller erklärt, als man eine Fertigsauce kocht, ist „der Fließband-Trick“: Eine hausgemachte Krokette ist in der Herstellung eigentlich aufwendig. Nicht aber die Industrie-Krokette, denn die kommt „ohne Butter, ohne Ei und ohne frische Kartoffeln“ aus und ist fix und fertig zu kaufen. „Auch dieses Produkt braucht kein Koch mehr machen“, resümiert Sebastian Lege über die aromatisierte Industrie-Krokette.
„Wie können komplizierte Schnitzel überall günstig verfügbar sein?“, fragt die Sprecherin und leitet damit den „Flüssigwürze-Trick“ ein. Sebastian Lege guckt sich Industrieschnitzel genauer an und „entdeckt Spuren von Injektionsmaschinen“. „Das Fleisch wird aktiviert mit einer Flüssigwürze“, erklärt Lege. Die baut der Koch aus „Salz, Gewürzen, Phosphat, Zwiebelpulver und Dextrose“ und Wasser nach.
Ein Effekt der Fleisch-Aufspritzerei: „Jede Spritze erhöht das Gewicht. Das Fleisch wird mit Wasser gestreckt und bringt dadurch mehr Gewinn“, so die Sprecherin. Damit das Wasser drin bleibt, kühlt Lege das Fleisch mit Eis in einem Tumbler. Dann noch in der Maschine perforieren und schon ist das Fleisch, egal welcher Qualität, schön zart. Die Panade kommt ohne Ei aus, dafür mit verschiedenen Mehlen und Wasser.
Eine Portion am Tag genügt: Mit diesem Gemüse decken Sie Ihren Vitamin-C-Bedarf Fertigprodukte schwer zu erkennen Hausgemacht? So wie Sebastian Lege die Lage schildert, bedeutet das inzwischen, dass in vielen deutschen Restaurants Schnitzel mit Bratkartoffeln und Co. einfach in die Fritteuse geworfen werden. Die Zutaten wie Fleisch, Kroketten oder die dazugehörigen Saucen stammen dabei aus dem Lebensmittelgroßhandel und können von quasi jedem zubereitet werden. Die Industrie freut sich und die Gastronomen sparen Geld durch billige Zutaten und geringere Personalkosten.
„Viele Restaurants gaukeln die hausgemachte Küche nur noch vor“, zieht die Sprecherin ein Fazit. Und die Industrie lernt dazu. Laut Albrecht gibt es inzwischen Produkte, die hausgemachter, also nicht mehr so perfekt aussehen. Denn: „Vorgefertigtes Essen ist ein Milliardenmarkt. Selbst Spiegeleier werden für Restaurants tiefgekühlt geliefert“, erklärt die Sprecherin.
Das Problem dabei: anhand der Speisekarte zu erkennen, ob man im Restaurant Fertigprodukte oder frisch zubereitetes Essen bekommt. „Eigentlich ist das gar nicht möglich“, erklärt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin und Hotelfachfrau Elisabeth Albrecht ergänzt. „In 80 bis 90 Prozent der Restaurants wird bereits Convenience verwendet.“
Dabei ist das nicht unbedingt böswillige Absicht, Gier oder Faulheit: „Viele Betriebe wissen sich nicht mehr anders zu helfen“, erklärt die Sprecherin. Stichwort: Fachkräftemangel. Den erlebt Elisabeth Albrecht in der Realität: „Jeder Betrieb, den ich kenne, sucht“, so die Hotelfachfrau.
Nein, es ist kein schönes Bild, das die Reportage von der „hausgemachten“ deutschen Küche zeichnet und dabei spart Matthias Ilnicki sogar noch das enorme Tierleid aus, das hinter den Schnitzeln aus Massentierhaltung steckt. Ein Trostpflaster: Natürlich würden nicht alle Restaurants auf Conveniene-Produkte setzen, so die Sprecherin, „die verlangen für ihr Essen aber auch etwas mehr Geld.“
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