Coming-out: Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen?

Schauspieler:innen, Musiker:innen, Entertainer:innen und Sportler:innen – immer mehr Prominente stehen dazu, der LGBTQIA+-Community anzugehören. Ob deutsche Stars wie Jochen Schropp oder internationale Größen wie Elliot Page – sie alle haben eines gemeinsam: Zu einem bestimmten Punkt fassten sie den Entschluss, zu sich zu stehen und ganz öffentlich ein Coming-out zu feiern. Dass dieser Schritt selten leicht ist, macht es um so wichtiger, darüber zu reden. In diesem Fall sprach GALA mit der Sozialpädagogin und Sexualberaterin Ursula Peters von "Sebera – Sexualberatung in Köln". 

Expertin Ursula Peters im GALA-Interview

GALA: Ganz einfach und direkt gefragt: Wie können Eltern ihre Kinder beim Finden und im Umgang mit ihrer eigenen Sexualität unterstützen?

Ursula Peters: Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die sexuelle Entwicklung mit der Geburt beginnt, weil körperliche Bedürfnisse, beispielsweise nach Nahrung, Schlaf und Schutz zu Beginn bestimmend sind. Eltern, die zunehmend lernen die Bedürfnisse ihres Babys gut wahrzunehmen und sie entsprechend zu beantworten, ermöglichen dem Kind, sich in seinem Körper wohlzufühlen und ihn als Quelle von Lust wahrnehmen zu können. So lernen Kinder ihren Körper kennen, können Bedürfnisse äußern und finden heraus, was Spaß macht.

In der weiteren Entwicklung rücken Themen wie Nähe und Distanz in den Mittelpunkt und hier ist wichtig, dem Kind zu vermitteln, dass seine Bedürfnisse respektiert werden. Grenzen von Kindern werden häufig mit einer gewissen Selbstverständlichkeit übergangen, beispielsweise wenn sie genötigt werden, bei der Tante auf dem Schoß zu sitzen oder der Oma ein Küsschen zu geben, auch wenn sie dies nicht möchten.

Hierbei lernen Kinder vor allem von dem Verhalten ihrer Eltern. Diese leben vor, wie sie selbst mit Intimität, Nähe und Distanz umgehen und wie ein respektvoller Umgang mit eigenen und den Grenzen anderer aussieht.

Zu den Geschlechterrollen wäre noch zu sagen, dass Kinder erst lernen, welche Zuschreibungen in unserer Gesellschaft mit welchem Geschlecht verbunden sind. Jungs raufen, weinen nicht und sitzen nicht mit lackierten Fingernägeln und einer pinken Schleife auf dem Kopf im Sandkasten. Mädchen schwatzen miteinander, sind nicht aggressiv und sitzen nicht gern im Matsch. 

Alle Eltern kennen es, dass den Kindern festgelegte Zuschreibungen in einem bestimmten Alter ziemlich egal sind. Und auch wenn jungen Eltern heute bewusst ist, wie wichtig es ist, das Selbstbestimmungsrecht des Kindes zu achten, so wird doch ein leises Unbehagen spürbar, wenn ihr Sohn auf der Straße mit "du bist aber ein süßes Mädchen" angesprochen wird, nur weil er rosa Haarspangen trägt.

Es ist eine begrüßenswerte Entwicklung, dass immer mehr Menschen ihre Haltung hierzu hinterfragen können und damit auch  ein wenig mehr Gelassenheit und Akzeptanz für die vielfältigen Ausdrucksformen entstehen kann.

„Diskriminierung findet überall und an jedem Ort immer noch statt“

Wie sieht es in Bezug auf die sexuelle Orientierung aus?

Entgegen der Darstellung in den Medien, ist Homosexualität für viele Menschen immer noch ein Tabuthema, das mit großen Ängsten behaftet ist. "Schwuchtel", "schwule Sau" sind gängige Beschimpfungen auf dem Schulhof. Diskriminierung findet überall und an jedem Ort immer noch statt. Häufig werden diese Beschimpfungen bei Jungs oder Männern an unterstelltes "weibliches Verhalten" gekoppelt. Es wird angenommen, dass schwule Männer nicht wirklich männlich sind oder eine "weibliche Rolle" annehmen.

Dies macht es für Jugendliche enorm schwer, wenn sie feststellen, dass sie selbst sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. In jeder Situation stellen sich für sie die Fragen: "Würde er oder sie mich akzeptieren, wenn bekannt wäre, dass ich homosexuell bin?"; "Was werden meine Eltern sagen, was meine Freunde, was meine Fußballfreunde, was die Lehrerin?" Es ist sehr schwer, in dieser wichtigen Zeit, in der heterosexuelle Jugendliche die eigene Sexualität entdecken und erproben, diese enorme Unsicherheit zu überwinden und ein positives Selbstbild zu entwickeln.

Hilfreich ist sicher, sich mit anderen schwulen oder lesbischen Jugendlichen auszutauschen, beispielsweise in einem entsprechenden Jugendzentrum oder in einer Coming-out-Gruppe. In unseren Beratungen haben wir sehr häufig mit Jugendlichen gesprochen, die panische Angst vor der Reaktion ihrer Eltern hatten, oder die nach ihrem Coming-out aus der Familie ausgegrenzt wurden. Es wird als große Belastung erlebt, wenn die Menschen, die den wichtigsten Rückhalt darstellen, einen so wichtigen Bereich wie die eigene Sexualität negativ bewerten und ablehnen. Deshalb ist von großer Bedeutung, dass Eltern ihre Kinder bei ihrem Coming-out unterstützen. Hierbei brauchen auch Eltern eine gewisse Zeit der Auseinandersetzung, da auch sie in einem Umfeld leben, in dem Heterosexualität normativ erwartet wird. Wenn sie feststellen, dass es ihnen schwerfällt die Homosexualität ihrer Kinder zu akzeptieren, sollten sie sich Unterstützung in einer Beratungsstelle suchen.

Coming-out: So ist man ein guter Ally

Wie können cis-Menschen gute Allys für Personen der LGBTIQ+-Community sein?

Vielleicht noch einmal kurz zur Erklärung: cis-Menschen fühlen sich in Übereinstimmung mit ihrem biologischen Geschlecht, transsexuelle bzw. Menschen mit einer Geschlechtsinkongruenz/Geschlechtsdysphorie wissen, dass ihr biologisches Geschlecht und ihr Geschlechtsempfinden gegensätzlich sind, Transgender beinhaltet zusätzlich Menschen, die die Kategorien männlich und weiblich für sich ablehnen, die also ein nicht-binäres Identitätskonzept richtig finden. Alle Kategorien sagen nichts über die sexuelle Orientierung aus, in der ebenfalls die unterschiedlichsten Möglichkeiten gelebt werden.

Wir leben jetzt erstmalig in einer Zeit, in der die unterschiedlichsten Lebensformen, die hinter verschlossenen Türen eigentlich schon immer existiert haben, sichtbar werden dürfen. Insofern wird der Blick auf unsere Gesellschaft realistischer. Gute Unterstützerinnen und Unterstützer sind in unserem Verständnis Menschen, die die Bereitschaft haben, sich mit ihrer eigenen Haltung auseinanderzusetzen und auch Menschen, die ihnen anders, fremd und vielleicht erschreckend erscheinen mit Offenheit und Interesse zu begegnen. 

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