Das "RTL Turmspringen": Die altbekannte Symphonie aus Schönheit und Schmerz

„TV total“, „Wetten, dass..?“, „Geh aufs Ganze!“, „7 Tage, 7 Köpfe“: Seit einiger Zeit ist es wieder Mode, alte TV-Formate aufzutragen. Am Freitagabend versucht es RTL mit dem Raab-Format „Turmspringen“ und lässt wieder eine Horde Halbpromis vom Fünfer hüpfen. Klingt wenig originell, aber weil der Sender das Ganze mit dem Erfolgsrezept von „Ninja Warrior“ kombiniert, wird daraus ein Raab-Format, das auch ohne Stefan Raab funktioniert.

Eine KritikvonChristian Vock

Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Erinnern Sie sich noch an Plateau-Schuhe? Die Antwort wird sehr wahrscheinlich „ja, klar“ sein, aber dennoch wird nicht jeder dasselbe damit meinen. Denn so wie viele andere Modetrends hat fast jede Generation einmal geglaubt, dass überdicke Sohlen dem eigenen Erscheinungsbild dienlich sind, egal, ob in den 1970ern oder 1990ern. Mit anderen Worten: Moden kommen und gehen und damit sind wir auch schon beim „RTL Turmspringen“.

Denn in den 2000ern hatte ein gewisser Stefan Raab die Idee, im Rahmen seiner „TV total“-Show einen Mix aus Unterhaltung und Sport als TV-Event zu etablieren. Herausgekommen sind dabei so Sachen wie die Wok-WM, die Stock Car Crash Challenge, der Eisfußball-Pokal oder Autoball. Und eben das „TV total Turmspringen“. Nach Raabs Abgang vor der Kamera dachte man eigentlich, dass damit auch die Zeit dieser Events vorbei ist, aber im Fernsehen ist es wie in der Mode: Auch hier kommen und gehen die Trends.

Nun ist es also wieder da, das Turmspringen. Diesmal nicht als „TV total“-Event, sondern in der RTL-Variante. Und da stehen für die Moderation nicht mehr Matthias Opdenhövel oder Steven Gätjen am Beckenrand, sondern das Trio Jan Köppen, Frank Buschmann und Laura Wontorra, das man in dieser Besetzung schon von den „Ninja Warrior“-Shows kennt und das bereits seinen ganz eigenen Stil etabliert hat. Eine entscheidende Änderung also, die auf eine steife Brise alten Windes trifft, der durch die RTL-Neuauflage weht.

„TV total Turmspringen“ trifft „Ninja Warrior“

Denn produziert wird das Ganze von Raab TV und das merkt man in jeder Sekunde. Bis auf das neue Moderationstrio würde man kaum einen Unterschied zum Original erkennen: In einer Schwimmhalle kommt eine Charge Halbpromis zusammen, um sich nach Wochen, Tagen oder Stunden des Trainings mehr oder weniger koordiniert von Schwimmtürmen zu stürzen. Gesprungen wird im Einzel- und/oder im Synchron-Wettbewerb, bewertet werden die Sprünge von einer Jury aus Profis.

Mit dabei sind unter anderem Ex-Handballer Pascal Hens, Moderatorin Lola Weippert, Ex-Turner Philipp Boy oder die „Ninja Warrior“-Teilnehmer Stefanie Edelmann und Moritz Hans. Natürlich hat RTL auch eine ganze Steige ehemaliger Kandidaten seiner Trash-TV-Formate eingeladen, wie zum Beispiel Filip Pavlovic, Paul Janke oder Linda Nobat. So oder so ähnlich sah es auch beim Teilnehmerfeld des Originals aus.

Also alles wie gehabt und natürlich ist auch das „RTL Turmspringen“ so wie das Original eine Dauerwerbesendung – mit Betonung auf Dauer. Denn so wie das „TV total Turmspringen“ ist auch die Neuauflage mit viereinhalb Stunden vor allem eines: viel zu lang. Irgendwann hat man einfach jeden Bauchplatscher so oder so ähnlich schon gesehen und, ob nun GZSZ-Darsteller Felix van Deventer das Gesicht glüht oder Jens „Knossi“ Knossalla der Rücken, ist reichlich wurscht.

„RTL Turmspringen“: „Schönheit oder Schmerz?“

Und damit wären wir beim Grund, warum man als Zuschauer das Turmspringen einschaltet und der ist heute wie damals derselbe. Weil man wissen will, welcher Promi weniger macht, als erwartet, und welcher mehr, als gedacht. Es geht also um die beiden Maximal-Ausschläge richtig gut und richtig schlecht oder wie es bereits gleich zu Beginn aus dem Off zu hören ist: „Kunst oder Qual?“, „Schönheit oder Schmerz?“, „Ruhm oder Spott?“.

„Ist sie sogar aufs Gesicht geschlagen?“, fragt Frank Buschmann etwa nach einem Sprung von Lola Weippert und Kollegin Wontorra antwortet vom Beckenrand, als sich Weippert selbst aus dem Wasser fischt: „Ich muss mal kurz Zähne zählen, Jungs.“ Und auch an anderer Stelle weiß Wontorra, misslungene Versuche mit Humor zu moderieren: „Das Klatschen hat aber synchron geklappt. Da habt ihr euch richtig was überlegt“, stichelt Wontorra, als Mathias Mester und Jens Knossalla auf das Wasser klatschen, Mester mit dem Bauch, „Knossi“ mit dem Rücken.

Und sonst so? Sonst versucht die Produktion die Monotonie von vier Stunden Ins-Wasser-Gespringe mit ein paar Nebenstorys aufzulockern. Fast-Teilnehmer Thorsten Legat darf in der ihm eigenen Art von seinem Trainingsunfall erzählen, bei dem es untenrum wohl mächtig gescheppert hat, Philipp Boy holt sich im Einzelspringen den ersten Platz und Stefanie Edelmann und Moritz Hans im Synchron-Wettbewerb, Paul Janke hat seine Stimme verloren und fiept sich als Running Gag durch die Beckenrand-Interviews und ganz am Ende wird Jens Knossalla unter sanftem Druck noch zu einem Sprung vom 10-Meter-Turm bewegt.

Frank Buschmann: „Das war ne Gesichtsbremse!“

Reicht das alles für gute Fernsehunterhaltung? Kommt ein bisschen darauf an. Sicher erwartet ein Zuschauer, der das „RTL Turmspringen“ einschaltet, keine Fernsehrevolution, sondern genau das, was er schon kennt – und das bekommt er. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Natürlich hätte man auch dieses Format ein bisschen modernisieren können, entschied sich aber, es nicht zu tun. Ein gutes Pferd springt bekanntlich nur so hoch, wie es muss und dass genügend Zuschauer das „Turmspringen“-Pferd immer noch für gut halten, dürfte RTL vorab ganz richtig eingeschätzt haben.

Was das „RTL Turmspringen“ auf jeden Fall geschafft hat, ist, Frank Buschmann einen Wunsch zu erfüllen. Im Interview mit dem Branchendienst DWDL hatte sich Buschmann nämlich gewünscht, dass die Show eine Verschmelzung einer Raab-Show mit dem Esprit einer „Ninja Warrior“-Moderation wird und genau das ist passiert. Köppen, Wontorra und Buschmann machen gar nicht erst den Versuch, Stefan Raab irgendwie ersetzen oder sogar kopieren zu wollen, sondern nehmen das Konzept der Show und machen daraus ihr eigenes Ding. Mit dem Effekt, dass Stefan Raab zumindest vor der Kamera gar nicht fehlt.

Und da springt Köppen eben auch mal in Klamotten ins Becken, Wontorra jubelt jeden, der es höher als nur auf den Startblock schafft, zum Superhelden hoch und Buschmann gerät bei einem Sprung von Jolina Mennen mit einem „Lecko mio de la blanco! Was für ein Sprung, was für ein Sprung!“ in Ekstase, während er beim Sprung von Felix van Deventer die Dinge so benennt, wie sie sind: „Das war ne Gesichtsbremse!“ Damit sammeln die drei die „Ninja Warrior“-Zuschauer genauso ein, wie alle, die schon damals von Raab-Events begeistert waren und denen Weiterentwicklung im Fernsehen nicht so wichtig ist. Eine Fortführung ist also alles andere als ausgeschlossen.

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