Eine KritikvonChristian Vock Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.
Es gibt Orte auf dieser Welt, die umweht ein eigener Mythos. Weil da etwas ist, das Menschen mit diesem Ort verbinden. Die Bermudas zum Beispiel und ihr Dreieck. Oder Stonehenge mit seinen Megalithen. Besonders anschaulich wird die Frage, ob ein Ort etwas Magisches hat, wenn man ihn einem Vergleich unterzieht. Pyramiden? Eher magisch. Salzgitter? Eher weniger. Machu Picchu? Absolut. Autobahnkreuz Dortmund/Unna? Ausbaufähig.
Einer dieser Orte, die einen eigenen Mythos pflegen, ist aber mit Sicherheit Mauritius, und das hängt vor allem mit seiner berühmten blauen Briefmarke zusammen. Der Inselstaat im Indischen Ozean hat zwar eine bewegte Vergangenheit, die sich in einer vielfältigen Kultur widerspiegelt, aber fragt man jemanden in der Fußgängerzone, was er mit Mauritius verbindet, wird – wenn überhaupt – irgendetwas mit der berühmten Blauen Mauritius kommen.
Diese, zusammen mit ihrer Schwester, der Roten Mauritius, zählt immer noch zu den teuersten Briefmarken der Welt und ist dementsprechend nicht nur unter Philatelisten ein Begriff. Und damit wären wir dann auch endlich bei der traditionellen Osterfolge der ZDF-„Traumschiff“-Reihe. Denn nachdem man in der vergangenen Folge das südliche Afrika unsicher gemacht hat, geht es diesmal eben nach Mauritius.
„Das Traumschiff“: Mehr als nur der erstbeste Gedanke? Und da drängt sich natürlich die Frage auf, ob das „Traumschiff“, das inhaltlich ja eher keine langen Wege geht, der Versuchung widerstehen kann, dieses so offensichtliche Thema außen vor zu lassen und sich stattdessen die Mühe macht, aus dem Reiseziel Mauritius ein bisschen mehr herauszuholen als den erstbesten Gedanken. Die schnelle Antwort: jein. Aber fangen wir von vorne an.
Roman Hilbert (Helmut Zierl) will mit dem „Traumschiff“ nach Mauritius fahren und dass das keine normale Reise werden wird, zeichnet sich bereits beim Check-in ab. Dort trifft er nämlich auf die Tanzlehrerin Jana Stern (Vivien Wulf), von der er die Augen nicht lassen kann, was aber einen ganz besonderen Grund hat: Stern erinnert ihn an seine verstorbene Ehefrau. Deshalb lädt er sie kurzerhand ein, in seinem Hotel auf Mauritius unterzukommen. Die freut sich zunächst, doch der Ärger beginnt, als im Hotel auch Hilberts Sohn Niklas (Marc Barthel) wartet.
So weit also erst einmal alles briefmarkenunverdächtig und auch bei der zweiten Geschichte der Folge spielt die Blaue Mauritius keine Rolle. Denn Schiffsärztin Jessica Delgado (Collien Ulmen-Fernandes) hat Stress mit der Familie. Ihr Vater Bernd (Wolfgang Stumph) begleitet seine Tochter bei der Reise und lässt sie spüren, dass sie sich mit ihrem Job als Schiffsärztin unter Wert verkauft. Allerdings sollte sich Papa Bernd nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen.
„Das Traumschiff – Mauritius“: der Griff zum Naheliegendsten Auch hier also Ruhe an der Philatelisten-Front, doch tatsächlich dauert es keine fünf Minuten bis klar wird, dass das Drehbuch der Mauritius-Folge doch am Klischeetöpfchen genascht hat. Denn Sabine Budarek (Janina Hartwig) möchte eigentlich nur mit ihrem Mann Thomas (Andreas Hoppe) eine schöne Zeit an Bord und auf Mauritius haben, doch der Gatte ist Briefmarkenliebhaber und denkt die ganze Zeit nur an die berühmte Blaue Mauritius. Als er erfährt, dass ausgerechnet während seiner Reise das Briefmarkenmuseum der Insel geschlossen ist, hat für ihn der Spaß ein Loch.
„Das Traumschiff“ kommt bei seiner Reise nach Mauritius also nicht ohne den Griff zum Naheliegendsten aus. Nun kann man mit einigem Recht sagen: Na und, was ist so schlimm daran? Ginge es nach Ägypten, bekäme man ja auch die Pyramiden zu sehen und niemanden würde es stören. Außerdem sprechen wir hier über „Das Traumschiff“ und da erwartet niemand mehr als das Naheliegendste.
„Es gibt aber auch noch Anderes auf der Welt!“ Das ist in der Sache auch vollkommen richtig, aber nur weil niemand mehr erwartet, heißt das nicht, dass man nicht trotzdem mehr machen kann. Natürlich bewegt man sich als Zuschauer beim „Traumschiff“ in seiner intellektuellen und emotionalen Komfortzone, aber was spricht dagegen, sich einmal ein bisschen aus dieser Komfortzone zu bewegen?
Aus dem „Traumschiff“ wird nie eine Arthouse-TV-Reihe werden – und das ist auch gut so. Aber wenn man seine Komfortzone nie verlässt, das kennt man aus anderen Bereichen des Lebens, wird diese Komfortzone immer kleiner und das kann ja auch niemand wollen.
Man kann auch dann beim „Traumschiff“ wunderbar entspannen, wenn man den Kopf nicht komplett auf null herunterfährt. Aber macht man das in der Mauritius-Folge denn überhaupt? Vielleicht ja doch nicht. Denn vielleicht nutzt Drehbuchautor Jürgen Werner ja genau diese scheinbare Ideenlosigkeit, um die Komfortzone des Zuschauers zu weiten, als er seine Figuren die Scheuklappigikeit durchspielen lässt: „Die Blaue Mauritius, das ist keine blöde Briefmarke, die ist ein Mythos“, stellt Thomas Budarek einmal klar, doch seine Frau entgegnet: „Es gibt aber auch noch Anderes auf der Welt!“ Nicht für ihren Mann: „Aber nicht, wenn es nach Mauritius geht!“
Mischung aus Klamauk und Kitsch – aber die Botschaft kommt an Es könnte also durchaus sein, dass in dieser „Traumschiff“-Folge doch ein bisschen mehr steckt, als man angesichts der doch recht simplen Geschichte zuerst vermutet. Die wird zwar dann doch in eine Mischung aus Klamauk und Kitsch verpackt, aber die Botschaft kommt an.
„Warum sollte man sonst nach Mauritius reisen?“, fragt Thomas Budarek in einer Szene rhetorisch und als sich seine Frau darüber später bei Hoteldirektorin Hanna Liebhold (Barbara Wussow) beschwert, gibt die ihr recht: „Mauritius ist eine wunderschöne Insel. Es gibt viel mehr zu sehen als eine Briefmarke.“ Ein Satz, der nicht nur für Komfortzonen beim „Traumschiff“ gilt.
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