In „Liebe im Sinn – Das Heiratsexperiment“ flirten Singles miteinander, ohne sich zu sehen. Das soll ein unvoreingenommenes Kennenlernen ermöglichen. Wenn da nur nicht die Domina, der laufende Herrenwitz und der weißeste Rapper seit Vanilla Ice wären.
Nach zwei Jahren Corona muss man sich offenbar ernsthaft um das Liebesleben der Deutschen Sorgen machen. Allein die Anzahl der Datingshows im Fernsehen, die die Pandemie hervorgebracht hat, kann nur eines heißen: Im echten Leben tut sich schon lange nichts mehr, also muss es das viel echtere Reality-TV richten. Und damit sich die Paare nicht wie bei „Der Bachelor“ und Co. direkt nach der Ausstrahlung trennen, wird gleich im TV geheiratet.
Darum geht es in „Liebe im Sinn – Das Heiratsexperiment“
Neuester Zugang in der Reihe von Shows mit Menschen, die der Zuschauer nicht mal beim Bäcker an der Theke treffen, geschweige denn beim Austausch von Körpersekreten beobachten möchte, ist „Liebe im Sinn – Das Heiratsexperiment“ in Sat.1. Die Vorgabe ist klar. Schon im Vorspann erklärt die Sprecherin: „28 Singles, ein Ziel – heiraten!“ Dazu säuselt im Hintergrund John Paul Young „Love Is in the Air“.
Ähnlich wie bei anderen Sendungen dieser Art sehen sich die Teilnehmer zunächst nicht. Es geht schließlich um „Liebe im Sinn“. Also wird erst gerochen, gesprochen, gefühlt und so weiter und so fort. Wer sich am Ende dann noch sehen will, kann sich verloben und gemeinsam in den Urlaub fahren. Die letzte Chance quasi, aus diesem Höllenkreis auszusteigen, bevor für die Paare die rechtskräftige Hochzeit ansteht.
Schlüpfrige Sprüche in „Liebe im Sinn“
Die Klientel von „Liebe im Sinn“ ist die übliche Zusammenstellung aus medialen Exhibitionisten, die für die Schlagzeilen in der Boulevard-Presse sorgen, und dem normalen Füllmaterial, das dem „Experiment“ seine „Seriosität“ verleihen soll. Nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, diese 28 Menschen suchten gar nicht die wahre Liebe, sondern nur einen Weg, ihre Social-Media-Kanäle für ein paar Wochen zu pushen.
Zwei dieser Kandidaten machen bereits in den ersten Minuten auf sich aufmerksam. Aurora, Pflegerin aus Treuenbrietzen, beschwert sich in einem Micro-Stretch-Kleid, das wohl irgendwie im Fundus von Verona Pooths „Peep!“-Zeit übrig geblieben ist, darüber, dass Männer immer nur ihr Äußeres sehen. Und räkelt sich passend dazu im Einspieler an ihrer heimischen Pole-Stange.
Chris, eigentlich Headhunter aus Düsseldorf, kredenzt schon in den ersten Minuten mehr schlüpfrige Sprüche als die Umkleidekabine jedes Regionalfußballvereins. Kleine Kostprobe gefällig? Seine Spezialität sei „Becken-Boden-Training“, denn: „Ich mag’s ja eng.“ Und bevor der Vorwurf kommt, „alter weißer Mann“: Chris ist erst 30 Jahre alt.
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Schnuppertests an den Kleidungsstücken
Davon wissen die Frauen (noch) nichts, als sie im Bus zum Schloss, in dem die Sendung gedreht wird, an den Kleidungsstücken der Männer riechen. Von „Gefühlsexplosion“ über „Schon geil!“ bis „Es riecht gut, aber es riecht nach meinem Vadder!“ ist alles dabei. Anhand dieses Schnuppertests müssen sich Frauen und Männer entscheiden, mit wem sie in der nächsten Runde sprechen wollen – ohne sich zu sehen.
Friseurmeisterin Sandra ist sich sicher: „Chris war sehr lecker. Krieg ich direkt Puls.“ Seine Reaktion auf ihr Kleidungsstück: „Da geht mir die Hose fast auf.“ Glücklicherweise verhindert sein Reißverschluss Schlimmeres. Je nachdem, wie viele Matches es gibt, so viele Dates müssen die Frauen und Männer auch absolvieren. Hinter einer Wand befragen sie sich einander.
Domina sucht ein bisschen Zweisamkeit
Das läuft nicht für alle wie erwartet. Hausfrau Ivonne mit „I“ entpuppt sich als Reality-TV-Schläferin. Eigentlich optisch „Normalo“, wurde sie aus einem ganz bestimmten Grund gecastet. Es fängt behutsam an.
Ihr Opfer: Marketing-Manager Matthias. Wie es bei ihm mit der „Zweisamkeit“ sei, will sie von ihm wissen. Er versteht nicht ganz. „Die Erotik“, schiebt sie hinterher. „Wie offen bist du da auf dem Gebiet?“ Matthias laviert herum. „Du bist mehr auf der dominanten Schiene?“, fragt sie direkter. Eine interessante Gesprächstaktik für ein erstes Date ohne Augenkontakt. Kommt gleich noch Erika Berger um die Ecke?
Nein, ihre Lack- und Lederschwester. Denn im Einspieler zeigt sich Ivonne in ihrem voll ausgestatteten Folterkeller, der so manchen Sexshop vor Neid erblassen lassen würde. Davon bekommt Matthias aber nichts mit. Von dem, was Ivonne dann sagt, schon: „Ich bin Domina“, knallt sie ihm vor den Latz. Matthias kratzt sich nervös an der Stirn und macht hektisch Notizen. „Mit meinen Delinquenten, so nenne ich die, habe ich aber keinen Sex“, fügt Ivonne hinzu. Wie beruhigend. Na, dann kann es ja weitergehen.
Mit Chris zum Beispiel und Stripperin Yvonne mit „Y“. Die geben sich nicht einmal Mühe, um den heißen Folterstuhl herumzureden, sie bauen so viele FSK-18-Ausdrücke in ihren Porno-Flirt ein, dass die Regie eingreift und die beiden ermahnt.
In der nächsten Folge gibt es Zickenkrieg
Bei Thorsten, Betriebswirt aus Wehye, pennt der Redakteur aber offensichtlich. Als er bei seinem Treffen mit Sandra bereits zum zweiten Mal in der Sendung unaufgefordert „Ice Ice Baby“ von Vanilla Ice anstimmt, bleibt dem Zuschauer sein „Rappen“ leider nicht erspart. Die Dates, die sich wirklich „echt“ anfühlen, so wie bei Tina und Malte etwa, können bei so viel Krawall und Effekt nur untergehen.
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Das ist natürlich auch nicht der Sinn der Sache. Am Ende der Folge wird schon der fürs Reality-TV übliche Zicken- und Macker-Streit in der nächsten Folge von „Liebe im Sinn“ angekündigt.
Da darf dann auch Sandra zum ersten „Fühlen- und Schmecken-Date“. Ihr Kommentar: „Ich war noch nicht so ganz bereit dafür.“ So wie der Zuschauer. Und da wusste Sandra noch nicht einmal, dass sie in der nächsten Folge auf Herrenwitzmaschine Chris trifft. Ihr Vorteil: Mit einer Zunge im Mund dürfte auch Chris mal für einen Moment die Klappe halten.
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