Wladimir Putin hält sie strikt heraus aus der Öffentlichkeit und achtet streng darauf, nicht über sie zu sprechen. Wer also sind seine Töchter, die nun von den USA und der EU sanktioniert werden sollen?
Einmal rutschte ihm etwas heraus. Wladimir Putin, Kriegstreiber, Kremldespot, Ex-KGB-Offizier und eigentlich mit allen Wassern der Geheimhaltung gewaschen, sprach öffentlich über seine Töchter. Zwar nahm er ihre Namen nicht in den Mund, aber jeder wusste: Er meint Maria Woronzowa und Katerina Tichonowa. Im Jahr 2015 war das.
„Ich bin stolz auf sie“, so Putin damals und weiter: „Sie sprechen drei Fremdsprachen fließend.“ Fragen waren aufgekommen in der Pressekonferenz. Gerüchte kursierten, wonach seine Töchter im Ausland studieren und dorthin auch ihren Lebensmittelpunkt verlegt hatten. Alles Unsinn, so der 69-Jährige. Beide „leben in Russland und haben nur in Russland studiert“, betonte er, um dann direkt anzufügen: „Ich spreche nie mit jemandem über meine Familie.“
Putins Tochter: Katerina Wladimirowna Tichonowa bei einem Aerobic-Wettbewerb im April 2014 in Krakau, Polen.(Quelle: imago images)
Da war er also wieder: der Geheimdienst-Moment. Wer beim KGB sozialisiert wurde und mithilfe dubioser Machtspiele an die Spitze des russischen Staates gelangt ist, sagt nur das, was er sagen muss. Putins Freunde, seine eigene Kindheit, seine Familie, sein Vermögen: Der russische Herrscher ist seit jeher ein Buch mit sieben Siegeln – mehr dazu lesen Sie hier.
Doch nach der Ermordung Hunderter Zivilisten in der Ukraine und der weltweiten Empörung über schockierende Kriegsgräuel unter anderem in Butscha erhöht der Westen den Druck auf Russland. Und damit auch auf Wladimir Putin. Die USA verhängten am Mittwoch neue Sanktionen, die erstmals auch seine Töchter ins Visier nehmen. Auch die EU will die beiden Frauen auf ihre Sanktionsliste setzen, wie EU-Diplomaten bestätigten.
Was ist über Maria und Katerina bekannt?
Aufschluss darüber, was über Putins Töchter als gesichert gilt, gab bereits die Mitteilung des US-Finanzministeriums. Katerina Wladimirowna Tichonowa sei eine technische Führungskraft, die mit ihrer Arbeit die russische Regierung und die Verteidigungsindustrie unterstütze, so die USA. Ihre Schwester Maria Wladimirowna Woronzowa leite staatlich finanzierte Programme, die vom Kreml mit Milliardensummen für die Genforschung gefördert und von Putin persönlich überwacht würden.
Maria Woronzowa: Sie ist die erstgeborene Tochter von Wladimir Putin. (Quelle: imago images)
Doch viel mehr drang im Zuge der Sanktionen nicht an die Öffentlichkeit. Und das ist auch kein Wunder. Seit Jahren ranken sich zwar viele Gerüchte um die zwei Frauen, aber wirklich sicher ist nur: Tichonowa ist 1986 geboren, ihre Schwester 1985. Die Erstgeborene ist also 36, die Jüngere 35 Jahre alt. Und: Sie stammen aus Putins Ehe mit Ex-Frau Ljudmila, von der er sich offiziell im Jahr 2014 scheiden ließ.
Wo die Töchter wohnen, arbeiten und sich dauerhaft aufhalten? Ein streng gehütetes Staatsgeheimnis. Während andere, vor allem westliche Politiker mit ihren Familien zu Wahlkampfzwecken regelmäßig über öffentliche Bühnen tingeln, hat Putin seine Kinder nie ins Rampenlicht gezerrt.
Wladimir Putin: Hier mit seiner Ex-Frau Ljudmila Putina im Juni 2007 bei einem Deutschlandbesuch. (Quelle: Sean Gallup/Getty Images)
„Wir glauben, dass viele von Putins Vermögenswerten bei Familienmitgliedern versteckt sind, und deshalb nehmen wir sie ins Visier“, sagte ein US-Beamter jetzt über die neue Verschärfung der Sanktionen. „Mit dieser Maßnahme werden sie vom US-Finanzsystem abgeschnitten und ihre Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten eingefroren.“ Gleiches gilt für die EU: Sobald der Beschluss steht, dürfen weder Maria noch Katerina in die Europäische Union einreisen und auch ihre dort gelagerten Vermögenswerte werden stillgelegt. Zuvor wurden diese Schritte schon gegen Putin persönlich eingeleitet.
Vieles spricht also dafür, dass die beiden Frauen in Russland leben. Verschiedenen Berichten zufolge sogar in unmittelbarer Nähe zu ihrem Vater: Denn beide gehen ihren Berufen offenbar in der russischen Hauptstadt Moskau nach. Putin selbst – um dessen Aufenthalt seit Kriegsbeginn ständig Mythen ranken – besitzt eine Villa 24 Kilometer vom Moskauer Stadtzentrum entfernt und nimmt in der Regel den Hubschrauber, wenn er Termine im Kreml wahrnimmt.
Juli 2021, Sochi: Maria bei einer Konferenz mit dem sperrigen Titel „Genom-Dialoge: Best Practices der Laboratorien der Russischen Föderation und Europas“. (Quelle: imago images)
Solche Details sind über Maria und Katerina rar. Seine älteste Tochter, so viel scheint sicher, studierte Biologie an der Universität St. Petersburg und Medizin an der Staatlichen Universität Moskau. Maria Woronzowa ist heute Akademikerin und hat sich auf das endokrine System spezialisiert. Zu diesem Thema hält die 36-Jährige auch Vorträge. Belege dafür finden sich unter anderem in der Bildagentur Imago: So trat sie im Juli 2021 bei einem Austausch verschiedener Wissenschaftler in Sotschi als Rednerin auf.
Außerdem hat sie an einem Buch über Kleinwuchs bei Kindern mitgeschrieben. Gegenwärtig scheint sie als Forscherin am Endokrinologischen Forschungszentrum in Moskau tätig zu sein. Ab hier verliert sich die Spur und die Informationen sind nicht mehr so eindeutig. Woronzowa soll jahrelang mit dem niederländischen Geschäftsmann Jorrit Joost Faassen verheiratet gewesen sein und ist es vielleicht auch immer noch. Der frühere Manager des staatlichen russischen Energieriesen Gazprom Jorrit Faassen arbeitete lange in Russland, wo er wohl auch Maria kennenlernte. Angesprochen auf sein Privatleben sagte er einst: „Ich bin mit einer Russin verheiratet und habe Kinder – dabei belasse ich es.“
Doch kurz nach Kriegsausbruch berichtete sowohl die britische „Daily Mail“ als auch die Nachrichtenagentur „New TR“: Woronzowa und Faassen lassen sich scheiden. Eine Bestätigung gibt es dafür nicht. Was mit den gemeinsamen Kindern passiert, ist ebenfalls unklar.
Von einer Scheidung war auch bei Putins Tochter Katerina Tichonowa die Rede. Doch das ist bereits länger her. Die heute 35-Jährige soll mit Kirill Shamalow verheiratet gewesen sein. Angeblich habe die Hochzeit Mitte der 2000er in einem exklusiven Skigebiet in der Nähe von Sankt Petersburg stattgefunden. Der Name Shamalow war allerdings bereits vor dieser Liaison in Russland kein Unbekannter.
Kirill Shamalow: Der russische Geschäftsmann soll schon seit vier Jahren nicht mehr mit Putins jüngerer Tochter zusammen sein. (Quelle: imago images)
Denn dessen Vater Nikolai Shamalow und Wladimir Putin sollen seit Jahrzehnten eng befreundet sein und Mitte der Neunziger eine Seilschaft gegründet haben, um die sich bis heute zahlreiche Berichte um Korruption und Betrug ranken: die sogenannte Datschen-Kooperative Osero. Doch offenbar ist Putins jüngere Tochter nicht mehr mit dem Sohn seines alten Korruptionskumpels zusammen. Die Ehe zwischen Shamalow und Tichonowa wurde im Jahr 2018 aufgelöst. Spätestens ein Jahr darauf hatte der Geschäftsmann bereits eine andere Frau, wie aus einem Investigativreport des russischen Reporters Roman Anin hervorgeht.
Katerina Tichonowa selbst soll jahrelang als Tänzerin aktiv gewesen sein. Bilder zeigen sie auf Aerobic-Wettbewerben, unter anderem im polnischen Krakau 2014. Heute bekleidet sie nach Recherchen der russischen Mediengruppe RBC einen einflussreichen Posten an Moskaus Staatsuniversität. Eines ihrer Projekte umfasse demnach ein Gesamtbudget von 1,7 Milliarden Dollar. In dessen Verwaltungsrat sitzen offenbar neben alten KGB-Mitarbeitern und Putin-Freunden wie Sergej Tschemesow, Chef der Rüstungsfirma Rostech, auch Igor Setschin, der CEO des staatlichen Ölkonzerns Rosneft. Also jener Konzern, in dem Altkanzler Gerhard Schröder auch weiterhin als Aufsichtsratsvorsitzender tätig ist.
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Circa 1989: Wladimir Putin mit seinen Töchtern Maria und Katerina (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)
Schröders Kremlfreund, Wladimir Putin, ließ sich fünf Jahre nach seiner seltenen öffentlichen Äußerung über seine Töchter dann noch einmal zu einer Aussage über Maria und Katerina hinreißen. Mehr noch: Er sprach sogar über seine Rolle als Familienoberhaupt. 2020 war das. Damals stellte Putin in einem Interview klar, dass er sich wegen „Sicherheitsproblemen“ nicht über seine Familie äußern wolle, ließ zugleich jedoch wissen, dass er Großvater sei. Die Zahl seiner Enkel nannte der Kremlchef allerdings nicht. „Ich habe Enkel, ich bin glücklich“, sagte er. „Sie sind sehr gut, so nett. Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen.“
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