Eine Überraschung und (fast) kein Zeichen für die Ukraine: So liefen die Oscars

Bei der Oscar-Verleihung in Los Angeles gab es in der Kategorie Bester Film eine dicke Überraschung. Für die sorgte auch Will Smith, der erst Comedian Chris Rock eine schallende Ohrfeige verpasste und wenige Minuten später einen Oscar gewann. Das von manchen erhoffte große Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine blieb allerdings aus. Schöne Nachrichten gab es hingegen für zwei deutsche Nominierte.

Eine KritikvonChristian Vock

Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Ja oder nein? Wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Oscar-Verleihung zu Wort kommen? Kann die diesjährige Oscar-Verleihung wirklich schweigen, während in der Ukraine Bomben fallen? Dass die 94. Oscars egal, wie man diese Fragen beantwortet, keine Show wie in jedem Jahr wird sein können, war klar. Und das war sie auch nicht – doch anders, als gedacht. So lief die 94. Verleihung der Oscars.

Die Moderation:

In den vergangenen Jahren gab es keine wirklich feste Moderation bei den Oscars. Das sollte sich in diesem Jahr ändern – und wie. Denn zum ersten Mal in der Oscar-Geschichte führen gleich drei Frauen durch den Abend: Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes. Das ist nicht nur ein gutes Zeichen in diesem von Männern dominierten Bereich, sondern auch ein Zeichen, dass man bei der Show auf gute Laune und Humor setzt.

Denn dass die drei Frauen feste Größen im Comedy-Fach sind, ist der Moderation in fast jedem Moment anzumerken. Egal, ob im Team oder solo – Schumer, Hall und Sykes machen aus ihrer Moderation eine großartige Stand-up-Comedy-Show und verpackten ernste wie nicht-ernste Themen witzig, aber oft genug mit einem harten Leberhaken zum Schluss. So begrüßen die drei Damen gemeinsam die Zuschauer und freuen sich über die Entscheidung der Produzenten, drei Frauen moderieren zu lassen, schließlich sei das immer noch billiger, als einen Mann zu nehmen.

Aber auch die Kollegen bekommen ihr Fett weg. So erwähnt Amy Schumer das Engagement von Leonardo DiCaprio im Kampf gegen die Klimakrise. Er mache das, um seinen Freundinnen einen sauberen Planeten zu hinterlassen, witzelt Schumer dann aber über DiCaprio in Anspielung auf dessen oft deutlich jüngere Freundinnen. Schauspielerin Jessica Chastain schlägt vor Schreck die Hände vor den Mund.

Die Nominierten:

Natürlich standen auch bei den 94. Oscars wieder große Namen auf den Nominiertenlisten: Nicole Kidman, Jessica Chastain, Javier Bardem, Steven Spielberg, Kristen Stewart, Denzel Washington – um nur die Bekanntesten zu nennen. Besonders bemerkenswert: Insgesamt zehn Filme kämpfen diesmal um den Preis für den besten Film.

Randnotizen: Kirsten Dunst und ihr Partner Jesse Plemons sind zusammen für ihre Rollen in „The Power of the Dog“ nominiert. Ähnliches gilt für Penélope Cruz und ihren Mann Javier Bardem, die allerdings für unterschiedlichen Filme nominiert sind. Beim Regie-Oscar gibt es auch eine Besonderheit: Hier ist Jane Campion die einzige Frau, die zum zweiten Mal für beste Regie nominiert wurde, in diesem Fall für ihren Film „The Power of the Dog“.

Aus deutscher Sicht erfreulich: In der Kategorie „Visuelle Effekte“ ist Gerd Nefzer aus Schwäbisch Hall für seine Arbeit bei „Dune“ nominiert. Nefzer gewann bereits 2018 einen Oscar für die besten visuellen Effekte in „Blade Runner 2049“. Und natürlich ist auch Filmmusik-Legende Hans Zimmer wieder nominiert, diesmal für seine Musik zum Science-Fiction-Film „Dune“.

Die Favoriten:

Wenn man von der ganz großen Favoritin für den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle sprechen kann, dann dürfte das Jessica Chastain gewesen sein. Chastain spielt in „The Eyes of Tammy Faye“ die TV-Predigerin Tamara Faye Messner und wollte nach zehn Jahren Arbeit den Film unbedingt auf die Leinwand bringen. Als große Konkurrentin von Chastain galt im Vorfeld Penélope Cruz für ihre Rolle in „Parallele Mütter“

Bei den Herren war man sich vor der Verleihung einig, dass eigentlich nur Will Smith für seine Rolle in „King Richard“ gewinnen kann. Dort spielt er den Vater der Top-Tennisspielerinnen Serena und Venus Williams. Als Kandidat, die meisten Auszeichnungen abzuräumen, gilt „The Power of the Dog“ – was bei zwölf Nominierungen auch kein Wunder ist. Immerhin zehn Nominierungen erhielt die Neuverfilmung von „Dune“.

Die Show:

Langatmig. Das war der Vorwurf, den sich die Oscars nicht erst einmal anhören mussten. In diesem Jahr hat man reagiert und acht Oscars wie den für Kurzfilm, Schnitt oder Ton bereits kurz vor der Show vergeben. Das Ergebnis wurde dann als Aufzeichnung während der Show eingespielt. Aber auch sonst tat man bei den Oscars in diesem Jahr alles oder zumindest viel, um den Ruf einer langatmigen Veranstaltung loszuwerden.

Los geht es familiär. Venus und Serena Williams begrüßen die Zuschauer aus dem Dolby Theatre in Los Angeles und übergeben dann virtuell das Mikrofon an Sängerin Beyoncé, die von einem mint drapierten Tennisplatz aus ihren Song aus „King Richard“ singt. Dann übernehmen Schumer, Hall und Sykes und machen aus der Verleihung einen Abend voll mit bissigem Humor. Für die großen Überraschungen sorgen aber andere – doch dazu gleich mehr.

Und sonst so? Bei den 94. Oscars zeigt man sich in Geburtstagsstimmung. So kommen zum 30. Jubiläum von „White Men Can’t Jump“ Rosie Perez, Woody Harrelson und Wesley Snipes gemeinsam auf die Bühne, um einen Preis zu verleihen. Außerdem gibt es einen kleinen Gruß zum 60. Geburtstag der „James Bond“-Filmreihe. Um den 50. Geburtstag der „Pate“-Triologie zu würdigen, kommen Al Pacino, Robert de Niro und Francis Ford Coppola auf die Bühne.

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Die Oscars und der Ukraine-Krieg:

Bereits bei den BAFTAS trug Dominik Cumberbatch einen Ukraine-Pin und er tat es auch bei den Oscars. Natürlich ist das nur ein kleines Statement, aber es ist ein Statement. Eines, dem sich auch andere Schauspieler und Schauspielerinnen wie Jamie Lee Curtis oder Samuel L. Jackson anschlossen und blaue Schleifen der Solidarität tragen. „Aquaman“ und „Dune“-Darsteller Jason Momoa zeigt sich auf dem roten Teppich zudem mit einem Einstecktuch in den Farben der Ukraine. Immerhin.

Und bei der Show? Gastgeberin Amy Schumer hatte in der „Drew Barrymore Show“ gesagt, dass sie am liebsten Wolodymyr Selenskyj per Video zur Verleihung zuschalten würde. Der zweifache Oscar-Gewinner Sean Penn sprach sogar vom „schamlosesten Moment in der Geschichte Hollywoods“, sollte die Academy diese Chance nicht nutzen. Und was macht die Academy? Nichts. Zumindest fast nichts.

Denn nach knapp eineinhalb Stunden erscheint nach einem Gesangsauftritt plötzlich ein Einspieler-Hinweis auf den Krieg und dass man auf der Seite der Ukraine stehe. Dazu die Aufforderung, mehr zu tun, versehen mit dem Hashtag #standwithukraine. Schamlos? Vielleicht. Ein bisschen dürftig auf jeden Fall. Da hilft es auch nicht mehr, dass Francis Ford Coppola seiner kurzen Dankesrede ein „Viva Ukraine!“ hinzufügt und Amy Schumer eine kurze Ukraine-Bemerkung fallen lässt.

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Die Ohrfeige des Abends:

Dieser Moment sorgt für Verwirrung und einen Schock. Chris Rock steht auf der Bühne und macht einen Witz über die rasierten Haare von Smith’ Frau Jada Pinkett Smith, woraufhin die ihre Augen verdreht. Smith lacht zunächst noch, dann geht er auf die Bühne und gibt Rock eine schallende Ohrfeige.

Zunächst sieht es wie ein einstudierter Spaß aus, doch zurück auf seinem Platz schreit Smith Rock an, er solle nie wieder den Namen seiner Frau in den Mund nehmen. „Es war ein G.I.-Jane-Witz rechtfertigt sich Rock, doch als Smith ihn erneut anschreit, antwortet der Comedian kleinlaut: „Werde ich, okay.“ Eine skurrile Szene, denn danach geht die Verleihung weiter, als sei nichts geschehen.

Die Gewinner des Abends:

Wenig später folgt dann in einer emotionalen Rede Smith’ Entschuldigung, als er den Oscar für den besten Hauptdarsteller in den Händen hält. Allerdings nicht bei Rock, sondern bei der Academy für seinen Wutausbruch. Jessica Chastain hingegen muss sich bei niemandem entschuldigen und freut sich über ihren ersten Oscar als beste Hauptdarstellerin in „The Eyes of Tammy Faye“.

Ziemlich enttäuscht dürfte hingegen das Team von „The Power of the Dog“ sein. Zwölf Nominierungen gab es, am Ende aber nur einen einzigen Preis in der Kategorie Beste Regie für Jane Campion. Die großen Sieger sind hingegen die beiden Filme „Coda“ und „Dune“. „Coda“ war dreimal nominiert, darunter als Bester Film – und gewinnt alle drei Kategorien. Als „Coda“ und nicht der Favorit „The Power of the Dog“ gewinnt, geht ein Raunen durchs Dolby Theatre. „Dune“ holt bei zehn Nominierungen stolze sechs Oscars.

Erfreulich aus deutscher Sicht: Gerd Nefzer gewinnt seinen zweiten Oscar. Schade nur, dass gerade, als er noch ein paar Worte sagen will, die Redezeit bereits von seinen Vorrednern aufgebraucht ist und Nefzer darüber zwar schmunzeln, aber nur noch ein „Dankeschön“ loswerden kann. Dafür kann sich aber auch Hans Zimmer über seinen zweiten Oscar freuen.

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Die Preisträger und Preisträgerinnen im Überblick:

Bester Film: „Coda“

Beste Regie: Jane Campion („The Power of the Dog“)

Beste Hauptdarstellerin: Jessica Chastain („The Eyes of Tammy Faye“)

Bester Hauptdarsteller: Will Smith („King Richard“)

Beste Nebendarstellerin: Ariana DeBose („West Side Story“)

Bester Nebendarsteller: Troy Kotsur („Codar“)

Bestes Originaldrehbuch: Kenneth Branagh („Belfast“)
Bestes adaptiertes Drehbuch: Siân Heder („Coda“)

Bester internationaler Film: „Drive My Car“ (Japan)

Bester Animationsfilm: „Encanto“

Beste Kamera: Greig Fraser („Dune“)

Beste visuelle Effekte: Brian Connor, Paul Lambert, Tristan Myles und Gerd Nefzer („Dune“)

Bester Dokumentarfilm: David Dinerstein, Robert Fyvolent, Joseph Patel und Ahmir „Questlove“ Thompson („Summer of Soul“)

Bester Ton: Ron Bartlett, Theo Green, Doug Hemphill, Mark A. Mangini und Mac Ruth („Dune“)

Beste Filmmusik: Hans Zimmer („Dune“)

Bester Filmsong: Billie Eilish und Finneas O’Connell für „No Time To Die“ („No Time to Die“)

Bester Dokumentar-Kurzfilm: Ben Proudfoot („The Queen of Basketball“)

Bester Kurzfilm: „The Long Goodbye“

Bester animierter Kurzfilm: „The Windshield Wiper“

Bester Schnitt: Joe Walker („Dune“)

Bestes Make-up und beste Frisuren: Linda Dowds, Stephanie Ingram und Justin Raleigh („The Eyes of Tammy Faye“)

Bestes Kostüm-Design: Jenny Beavan („Cruella“)

Bestes Szenen-Bild: Zsuzsanna Sipos und Patrice Vermette („Dune“)

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