Der sehr junge Stuttgarter NEYKID ist ein Talent, das aufhorchen lässt – er buchstabiert Indiepop deutlich mit dem Alphabet der 90er und 2000er, um das ganze in gekonnte Millennial-Inhalte zu übersetzen. Über Believe / Boiler Music releast er seine Debut-Single “Insane”, eine EP folgt im Laufe des Jahres.
Angelo Fritsch aka NEYKID schreibt, produziert und performt seine Songs mit großem Gespür für Indiepop und -rock – doch lässt er überkommene Rock-ismen weg: Er setzt sich mit Emotionen auseinander und Androgynität durchzieht sein Werk. Ohne Scheu hat NEYKID ein Herz für großen Pop und erkennt, worauf es ankommt: Eine Liebe für Märchengestalten wie Freddy Mercury pudert Grandesse über sein Songwriting und vage Traumerinnerungen an die 2000er lassen Empire Of The Sun, MGMT und die Kooks in der DNA aufleuchten.
Letztendlich schafft NEYKID mit seiner Musik ein Outlet für seine innere Welt: “Bei ‚Insane’ geht es um das Gefühl, in sich selbst und seiner Umwelt gefangen zu sein. Es behandelt die Problematik, etwas nicht abstellen zu können, obwohl man weiß, es tut einem nicht gut. Das können Süchte, Gewohnheiten aber auch zwischenmenschliche Beziehungen sein. Die Inspiration zu dem Song kam aus persönlichen Erfahrung heraus und dem Gefühl zu wissen, man begeht einen Fehler, ist aber zu schwach, dem zu widerstehen/etwas dagegen zu tun. Somit ist der Song für mich eine Art Selbstreflexion. Er gibt mir das Gefühl mit schwierigen Situationen umgehen zu können und aus negativen Erfahrungen etwas Positives zu schaffen, nämlich Musik.”
NEYKID schafft für “Insane” eine düstere Atmosphäre, die er auch ins Setting des Video transzendiert – eine beklemmende Stimmung wird durch Farben und Raum erschaffen und zeichnet visuelle Bilder von inneren Kämpfen und erstickenden Gefühlen, die er verstehen und freilassen möchte. Besonders ausdrucksstark wird der Konflikt von einer meisterhaften Contemporary Dance Performance der Tänzerin Edith Buttingsrud Pedersen portraitiert, deren gespannte Muskeln jeden Moment zu zerreissen scheinen.
Angelo Fritschs Alter Ego NEYKID wohnt die besondere Eigenschaft inne, sich emphatisch in Genres zu bedienen, die für den Künstler – gerade mal Anfang 20 – in einer märchenhaften Ferne liegen, doch durch die digitale Konservierung und Verfügbarkeit permanent allgegenwärtig und zu Referenzen werden. NEYKID ist nicht zu abgeklärt, um die Aufarbeitung der Genres Synth Pop, Indie und Alternative Rock mit bewusst emotionsloser Distanz zu begegnen – er ist von dieser Musik berührt und ist sich nicht zu schade, das zuzugeben:
“Meine ersten musikalischen Berührungspunkte habe ich mit Queen gemacht und versucht, so ziemlich jeden Freddy Mercury Song unter der Dusche zu performen. Mit der Zeit kamen die Red Hot Chili Peppers dazu und später auch Einflüsse aus Britpop und Indie-Rock. Heute inspirieren mich Musiker:innen wie Tame Impala, Lime Cordiale, Tracy Chapman, Foster the People oder Empire of the Sun. Musik entsteht bei mir meistens aus einem Gefühl heraus. Fühle ich nichts oder mich leer, kann ich in der Regel auch nichts schreiben. Hauptsächlich motivieren mich meine Erfahrungen, Gefühle und andere Künstler:innen, die etwas in mir auslösen.”
Und letztendlich handeln NEYKIDs Songs – seine Debut-EP kommt im Herbst heraus – von dieser Motivation durch Emotionen. Zurückweisung, Selbstliebe, Liebe zu anderen – diese elementaren Dinge werden natürlich – wann denn sonst? – im Coming Of Age verhandelt und es wäre eine Schande, dafür zu cool zu sein.
NEYKID – ausgesprochen wie näi-ked – bedeutet, sich nackt zu machen, bloss zu sein und dem Kind, das man im Begriff ist, hinter sich zu lassen, die Hand zu reichen, um es mitzunehmen.
Diese Metamorphose – negative Momente in etwas Gutes umzuwandeln, auch wenn es schmerzt – ist NEYKIDs Affirmation, die er in seine Musik steckt: “Bewusstsein für den Moment … (schaffen) und in Menschen ein Gefühl …(auslösen), zusammen etwas bewirken zu können.”
Foto: (c) Neykid
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