Münchner Oberbürgermeister Reiter droht Putin-Freund Gergijew mit Rauswurf

  • Wegen Waleri Gergijews Nähe zu Putin droht München dem Chefdirigenten der dortigen Philharmoniker mit Rauswurf.
  • Auch an anderen Orten schlug die russische Invasion Wellen und hinterließ Bestürzen in der Kulturbranche.

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Der Angriff Russlands gegen die Ukraine erschüttert auch die Kulturwelt. Am Freitag drohte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker und Putin-Freund Waleri Gergijew mit Rauswurf. Viele Kulturschaffende äußern unterdessen ihre Erschütterung über die russische Invasion in die Ukraine.

„Gemeinsam mit den Orchestervertretern der Münchner Philharmoniker erwarte ich von Ihnen als Chefdirigent des Orchesters jetzt ein deutliches Zeichen der Distanzierung von den völkerrechtswidrigen Angriffen gegen die Ukraine“, schrieb Reiter an Gergijew. „Und damit ein klares Signal an die Stadtspitze, die Öffentlichkeit, die Musikerinnen und Musiker der Münchner Philharmoniker und ihr Publikum bis Montag, 28. Februar. Anderenfalls werden wir das Vertragsverhältnis als Chefdirigent beenden müssen.“

Gergijew unterstützte Annexion der Krim

Der 68 Jahre alte Gergijew ist seit 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, eines städtischen Orchesters. Seine Freundschaft mit Putin ist schon lange ein latentes Imageproblem für den Mann aus dem Kaukasus. Als im März 2014 bekannt wurde, dass er in einem offenen Brief zusammen mit weiteren russischen Kulturschaffenden die Annexion der Krim unterstützt hatte, gab es Proteste.

Seiner Karriere schien das aber nie wirklich zu schaden. Er ist einer der bekanntesten Dirigenten, ein vielbeschäftigter Mann. Neben der Leitung des russischen Prestigetheaters Mariinsky, die er seit Jahrzehnten innehat, dirigiert er immer wieder einige der größten und bekanntesten Orchester der Welt.

Auftritte von russischem Dirigenten Gergijew in New York abgesagt

Nun aber dürfte er es im Westen ohne eine Distanzierung von seinem mächtigen Freund in Moskau schwer haben. Der Putin-freundliche Stardirigent wird beispielsweise auch nicht wie geplant mit den Wiener Philharmonikern in der New Yorker Carnegie Hall auftreten – „aufgrund jüngster Ereignisse in der Welt“, wie die Veranstalter mitteilten.

Zuvor hatte sich das österreichische Spitzenorchester am Donnerstag gegen negative Facebook-Kommentare von Nutzern gewehrt, die die Konzerte wegen der russischen Militäroperation in der Ukraine in Frage stellten.

Der Wiener Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer betonte allerdings die jahrzehntelange Verbundenheit seines Ensembles mit Gergijew und sagte: „Die Kultur darf nicht zum Spielball von politischen Auseinandersetzungen werden“. Nach Medienberichten stellte auch die Mailänder Scala Gergijew ein ähnliches Ultimatum wie Reiter in München.

Sean Penn dreht Doku in Ukraine

Auch anderswo in der Kultur-Welt schlug der russische Angriff Wellen. Oscar-Preisträger Sean Penn arbeitet in Kiew an einer Dokumentation darüber. Das ukrainische Präsidialamt teilte auf Facebook mit, dass Penn die Ereignisse in der Ukraine aufzeichnen wolle, um „der Welt die Wahrheit über Russlands Invasion“ zu zeigen.

Dazu wurde ein Foto verbreitet, das den Hollywoodstar während einer Pressekonferenz zeigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte auf Instagram ein Video, in dem er sich mit Penn unterhält.

Kulturbranche reagiert auf den russischen Angriff

Viele Kulturschaffende zeigten sich erschüttert über die Lage. Die in Moskau aufgewachsene Sasha Marianna Salzmann, bekannt für Romane wie „Im Menschen muss alles herrlich sein“, sagte der Zeitung „Theater heute“: „Menschen werden flüchten. Das heißt, wir müssen Platz machen. Wir müssen Geld spenden.“ Salzmann wurde 1985 im russischen Wolgograd geboren und lebte bis 1995 in Moskau (inzwischen Berlin).

Nach Ansicht des Intendanten des Thalia Theaters, Joachim Lux, sollten die kulturellen Verbindungen zu Russland weiter gepflegt werden. „Wir müssen die Parole „Nie wieder Krieg“ neu mit Leben füllen. Gleichzeitig dürfen wir die kulturellen Brücken nach Russland auf keinen Fall abreißen lassen“, sagte Lux dem „Hamburger Abendblatt“.

„Wir müssen aber natürlich vor allem Wege suchen, die Künstlerinnen und Künstler der Ukraine zu unterstützen“, so Lux. Auch der Deutsche Kulturrat und die deutsche Unesco-Kommission verurteilten die Invasion Russlands in die Ukraine.

Gergijew hat noch nicht reagiert

Kurz vor seinem Einstandskonzert in München 2015 sagte Gergijew der „Süddeutschen Zeitung“, er wolle sich für eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen einsetzen. „Wir müssen alles tun, was es braucht, um einen weiteren großen tragischen Konflikt zu vermeiden“, sagte er damals. „Groß meint: bis hin zu einem Dritten Weltkrieg, von dem ich hoffe, dass er nie, nie geschieht.“

Von Gergijew gab es vorerst keine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Er wolle sich nicht äußern, hieß es von den Münchner Philharmonikern.

Deutschlands größtes Opernhaus erwartet Gergijew-Stellungnahme gegen Putins Krieg

Das Festspielhaus Baden-Baden erwartet allerdings vom russischen Dirigenten Waleri Gergijew eine klare Stellungnahme gegen Putins Krieg in der Ukraine. Intendant Benedikt Stampa äußerte sich am Freitag schockiert über den Kriegsausbruch. Gergijew sei einer der zentralen kulturpolitischen Akteure Russlands.

Man werde ihm natürlich Gelegenheit geben, sich zu äußern, so Stampa. Die zwei Konzerte Ende Juli und ein neues Festival „Russischer Winter“ im Dezember mit Gergijew bleiben zunächst auf dem Programm.

Der Intendant des mit 2.500 Plätzen größten deutschen Opernhauses betonte die Bedeutung der russischen Kultur. „Es ist uns wichtig, dorthin weiter Brücken zu bauen.“ Bedacht werden müsse bei allem Entsetzen, dass in Russland kaum noch eine freie Meinungsäußerung möglich sei und sich Kritiker in Lebensgefahr brächten.

„Dennoch werden wir die rote Linie, die derzeit um Waleri Gergijew als politische Person gezogen wird, mit tragen und solidarisch mit allen Demokratinnen und Demokraten im Sinne einer klaren Haltung agieren.“

Das privat betriebene Festspielhaus Baden-Baden ist in einem doppelten Zwiespalt. Der 1998 eröffnete Musentempel war kurz nach der Eröffnung vor dem Aus gestanden. Erst durch eine Rettungsaktion von Stadt und Land war es in ruhiges Fahrwasser gekommen. Zu den Musikern, die dem Haus von Anfang an die Treue gehalten haben, gehört neben Star-Violinistin Anne-Sophie Mutter der Dirigent Gergijew. (dpa/ari)

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