Jeder kriegt, was er verdient

Nun ist es amtlich: Thomas Gottschalk hat erreicht, was er wollte. Einmal pro Jahr lässt ihn das ZDF auf der „Wetten, dass..?“-Bühne glänzen. Ob das so eine gute Idee ist?

Narrenfreiheit für Thomas Gottschalk! Er wird sich jetzt austoben dürfen, so viel ist klar. Denn mit der Entscheidung des ZDF, dem 71-Jährigen in diesem und im kommenden Jahr jeweils eine „Wetten, dass..?“-Ausgabe zu spendieren, geht ein Sieg des Moderators einher. Damit der Sender das nicht vergisst, wird Thommy ihn daran in den Verhandlungen gern erinnert haben.

Wie diese abgelaufen sein könnten? Schalten wir doch einmal in ein fiktives Hinterzimmer und begleiten die (erdachten) Gespräche zwischen ZDF-Unterhaltungschef Oliver Heidemann und Programmdirektor Norbert Himmler sowie Thomas Gottschalk. 

Himmler: „Eine Fortsetzung war eigentlich nie geplant.“

Gottschalk: „Aber ich habe es euch doch gesagt.“

Heidemann: „Mehr als 14 Millionen Zuschauer. Das schafft selbst der Münster-‚Tatort‘ nicht immer.

Himmler: „Das sind sehr viele Menschen, ja.“

Gottschalk: „Aber ich habe es euch doch gesagt.“

Heidemann: „Unser Plan ist, dass es ein einmaliges Event bleibt.“

Himmler: „Oft kann ich so ein Spektakel eh nicht bezahlen.“

Gottschalk: „Aber ich habe es euch doch gesagt.“

Himmler: „Gut, okay. Die Leute wollen es so: Machen wir es einmal im Jahr? Erst mal für 2022 und 2023? Thommy, bist du dabei?“

Gottschalk: „Wie viel zahlt ihr?“

Himmler: „So viel wie 2021 auch.“

Gottschalk: (lacht) „Der war gut.“

Heidemann und Himmler im Chor: „Wie viel willst du denn?“

Gottschalk: (nennt Summe)

Heidemann und Himmler: „Autsch, dann müssen wir Helene auch für dieses Jahr streichen.“

Gottschalk: „Aber ich habe es euch doch gesagt.“

Tatsächlich hatte Gottschalk in der Vergangenheit immer wieder betont, dass er dem ZDF bei seinem Abschied im Jahr 2011 sein Wunschkonzept ans Herz gelegt habe. „Einmal pro Jahr im Winter eine Ausgabe aus der O2-Arena oder im Sommer von Mallorca? Das hätte ich gemacht, bis ich umfalle. Wollte aber keiner. Das hat das ZDF versiebt“, so der Moderator vor seiner Jubiläumssendung vergangenes Jahr. Jetzt bekommt er nach seinem fulminanten Erfolg im November 2021 genau das: die „Wetten, dass..?“-Bühne – exakt nach seinen Vorstellungen.

Alt und bewährt sticht neu und gewagt

Die späte Einsicht beim ZDF, der Triumph der TV-Legende. Den Poker hat Gottschalk gewonnen – und wird ihn sich sicherlich fürstlich versilbern lassen. Es war das Millionenpublikum, das ihm diesen Sieg bescherte. Und zwar nicht nur die vermeintlich „alte“ Stammzuschauerschaft, sondern explizit auch die jüngere Zielgruppe entfachte das TV-Lagerfeuer von einst: Über 50 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen – das kam einer Sensation gleich.

„Wetten, dass..?“: Helene Fischer, Michelle Hunziker, Leon Krampe, Frank Elstner, Thomas Gottschalk, Giovanni Zarrella, Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf und Svenja Jung. (Quelle: Andreas Rentz/Getty Images)

Jetzt erhält eben dieses Publikum genau das, was es sich verdient hat: einen Mann der alten Garde, „herbstblond“ und 71 Jahre jung. Das ZDF will den Eventcharakter erneut mit dem Showmaster erzeugen und nicht das Risiko eingehen, mit einem Wechsel auf der „Wetten, dass..?“-Couch eine ähnliche Bruchlandung hinzulegen wie einst mit Markus Lanz. Das kann man für mutlos halten oder für konsequent: Es entspricht schlichtweg dem Zahlenkalkül, mit dem im Fernsehen so oft Entscheidungen getroffen werden. Alt und bewährt sticht neu und gewagt im Zweifelsfall immer aus.

Beweispflicht liegt immer noch bei Thomas Gottschalk

Bleibt nur zu hoffen, dass Gottschalk seinen empathielosen bis ignoranten Moderationsstil aus dem November im Jahr 2021 gelassen hat und für die nächsten beiden Ausgaben mit mehr Elan zu Werke geht. Schließlich hat er jetzt, was er wollte. Also soll er auch beweisen, dass er zur Hochform auflaufen kann.

  • Absoluter Seltenheitswert: Knallerquote für Münster-“Tatort“
  • ZDF präsentiert Pläne: “Wetten, dass..?“ kehrt zurück
  • „Wetten, dass..?“-Comeback: Ein Griff ins Klo

Vielleicht nutzt Thommy auch gleich die Gelegenheit und denkt über seine umstrittenen Äußerungen aus der Vergangenheit nach, wonach „das öffentlich-rechtliche System (…) nur in der Fusion eine Chance“ habe und dass ARD und ZDF seiner Ansicht nach liefern sollen, „wofür man sie bezahlt: Information und Kultur“. 

Gottschalk kann heilfroh sein, dass das ZDF die Entscheidung allein trifft und ihm fernab von „Information und Kultur“ mittels 18,36 Euro Rundfunkbeitrag im Monat eine knallbunte Unterhaltungsshow produziert. Denn auch das ist öffentlich-rechtliches Fernsehen: Unterhaltung für die Massen – ganz unabhängig von Qualitäts- und Relevanzfragen. Für Thomas Gottschalk sind das verdammt gute Nachrichten. Ob das auch fürs Publikum gilt, wird sich noch herausstellen müssen.

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel