Seit 2016 ist Heike Makatsch „Tatort“-Kommissarin. Trotzdem sahen Krimifans sie in den vergangenen drei Jahren nicht. Was dahintersteckt und warum diese Rolle nie ihr großer Traum gewesen ist, verrät die Schauspielerin im t-online-Interview.
Heike Makatsch ist schon lange im Geschäft. Ihre Karriere begann beim Musiksender Viva, es folgte die Moderation von „Bravo TV“. 1996 war sie im Kultfilm „Männerpension“ zu sehen. Heute spielt die 50-Jährige in etlichen TV-und Kinoproduktionen mit.
Auch in ihrer Rolle als „Tatort“-Kommissarin ist Makatsch wieder da. Nachdem sie als Ermittlerin in Freiburg startete, sorgt sie mittlerweile in Mainz für Ordnung. Doch drei Jahre pausierte sie als Ermittlerin. Im Interview hat sie verraten, wie sie trotzdem schnell wieder in ihre Rolle fand, ob ihr Alter ihr zu schaffen macht, warum sie auf Drängen ihrer Familie nun ein neues Familienmitglied hat und wie sie eigentlich heute zu ihrer Teilnahme bei der umstrittenen Aktion „Alles dichtmachen“ steht.
Heike Makatsch: So richtig alt ist die Rolle für mich nicht. Zwar habe ich gerade wieder einen neuen „Tatort“ als Hauptkommissarin Ellen Berlinger abgedreht – „Angeklagt“ heißt der Film und die Ausstrahlung ist für nächstes Jahr geplant – , aber vor „Blind Date“ waren es fast drei Jahre, in denen Berlinger eine kleine Pause gemacht hat. Allerdings hat mein Körper diese Rolle abgespeichert: Ellen Berlingers Geschichte mit ihren Töchtern zum Beispiel, Mainz, Ellens Mäntel und die Doc Martens (lacht). Da schlüpft man rein und die Figur kommt wie von selbst zu mir. Gleichzeitig ist es aber noch immer frisch und aufregend. Ich muss mich an Ellen Berlingers Gefühlswelten schon immer wieder herantasten.
Wie kam es zu der langen Pause? Zuletzt wurde 2018 ein „Tatort“ mit Ihnen gezeigt.
Das ist Produktions- und Sendersache. Mit mir hat das wenig zu tun. Das sind langwierige Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Oft stecken Finanzierungsthematiken dahinter.
Wie schauen Sie den „Tatort“ am Sonntag? Ist das bei Ihnen ein Familienevent?
Ich habe da kein Ritual. Was kommt, das kommt.
Heike Makatsch: Sie spielt die Hauptkommissarin Ellen Berlinger.(Quelle: SWR/Ziegler Film)
Für viele Schauspieler und Schauspielerinnen ist es ein Wunschtraum, den Kommissar oder die Kommissarin zu spielen. War das für Sie auch ein lang gehegter Traum?
Bevor mir dieses Angebot gemacht wurde, hatte ich daran gar keinen Gedanken verschwendet. Aber jetzt finde ich es eine tolle Sache, eine Figur über mehrere Jahre weiterzuentwickeln und daran mitzuwirken. Diese Figur hat schon sehr viel emotionales Gepäck, das mitzutragen ist eine herausfordernde Aufgabe. Ich hatte vorher auch die einen oder anderen Bedenken. Die Sorge, dass man nur noch auf eine „Tatort“-Kommissarin festgelegt wird, hat sich nicht bewahrheitet. Jetzt merke ich, dass sehr viel parallel passieren kann. Ich empfinde diese Rolle nur noch als Bereicherung.
Haben Sie unabhängig von Ihrem Beruf Träume, die Sie sich gern erfüllen wollen?
Ich habe viele Träume und Wünsche und bewege mich in ihre Richtung oder treffe danach meine Entscheidungen. Ich kann aber auch immer nochmal abzweigen und umdenken. Ich schaffe es, auch andere tolle Möglichkeiten zu entdecken und zu erkennen, dass sich das Leben manchmal einfach anders entwickelt.
Um den Druck rauszunehmen: Welchen Traum haben Sie sich schon erfüllt?
(lacht) Wir haben jetzt einen Hund. Der liegt gerade neben mir. Natürlich auf dem Bett. Ich habe es nicht hinbekommen, ihn entgegen dessen zu erziehen. Es war vielleicht eher der Traum der anderen Familienmitglieder, aber jetzt ist es für mich auch sehr schön.
Wurden Sie überstimmt?
Naja, sagen wir mal so: Ich habe mich irgendwann breitschlagen lassen. Das ist so ein kleiner griechischer Straßenhund, ein Findlingshund. Er sieht aus wie eine kleine weiße Bürste und macht uns viel Freude.
Der „Tatort“ spaltet sehr oft die Meinungen der Zuschauer. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich bin Kritik gewöhnt. Ich rechne immer mit Kritik. Umso mehr freue ich mich über positive Reaktionen. Wenn man sich gegen negative Kritik wappnet, freut man sich doppelt über die positive.
Das probiere ich vielleicht auch mal aus.
Ja, das funktioniert. Man kann davon ausgehen, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedlich auf die Welt blicken. Diversität bereichert. Das, was einen selbst begeistert, muss nicht von jedem anderen auch so gesehen werden. Wenn es sich aber dann mal überschneidet, ist es ein Glücksfall.
Ein Thema, bei dem die Meinungen auseinandergehen, ist die Aktion „Alles dichtmachen“. Vor wenigen Tagen gab es eine neue Kampagne: „Alles auf den Tisch“. Sind Sie gefragt worden, ob Sie mitmachen wollen?
Nein, das hat man mich nicht gefragt.
Was halten Sie davon?
Ich denke auch da, dass Menschen die Dinge von unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Man muss nicht mit allem übereinstimmen, was da gesagt wurde, aber grundsätzlich glaube ich, dass unsere Medien- und Meinungslandschaft eine solche Auseinandersetzung ver- und ertragen kann.
Heike Makatsch: Die Schauspielerin war Teil der umstrittenen Aktion „Alles dichtmachen“, distanzierte sich aber schnell wieder davon.(Quelle: IMAGO / Eibner)
Sie waren selbst kurzzeitig bei „Alles dichtmachen“ dabei, haben Ihre Meinung dann aber schnell wieder geändert. Hat das Ihre Art, sich in der Öffentlichkeit zu äußern, nachhaltig verändert?
Wir leben in einer sehr komplizierten Welt und da halte ich mich im Moment gern zurück. Ich betrachte, versuche meine Schlüsse zu ziehen und meine Antworten zu finden, aber ich bin da eher noch im Prozess.
Wie erleichtert sind Sie als Schauspielerin, dass wir wieder ins Kino gehen können?
Sehr. Ich hoffe auch, dass die Menschen davon Gebrauch machen. Ich glaube, dass die Kinos langsam aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und das gibt mir die Hoffnung, dass das Kino diese Phase mit Blessuren überlebt – aber überlebt. Die Kraft des Kinos ist eine andere als das Streaming zu Hause. Wir brauchen diesen Ort, an dem Filme ganz anders wirken. Vielleicht entspricht er momentan nicht ganz unserer Zeit, unserem Sehverhalten, aber ohne Kino wird das Filmerlebnis oberflächlich. Ich hoffe, dass die Menschen das Kino nicht vergessen haben und jetzt erst mal James Bond genießen. Danach dann gern auch wieder ganz viel Arthouse.
Ich habe überraschend festgestellt, dass Sie im August 50 Jahre alt geworden sind.
Ja, selbst wenn Sie es jetzt ansprechen, überrascht es mich auch noch (lacht).
Hat es Sie wirklich überrascht?
Nein, ganz so überraschend kam es nicht. Ich habe schon länger auf diese Benchmarke geschielt. Ich vergesse mein Alter tatsächlich immer wieder. Wenn ich mich dann erinnere, ist es eine Mischung aus Stolz, Verwunderung und Schrecken. Die Zeit rast. Die Jahre gehen nicht langsamer ins Land.
Ab 30 vergeht die Zeit schneller, oder?
Ja, die Zeit galoppiert ein bisschen. Aber ich bin zufrieden. Es ist irgendwie auch ein schönes Alter. Es entspannt einen in mancher Hinsicht. Es geht halt immer weiter (lacht). Und irgendwann ist es dann zu Ende.
Denken Sie oft an den Tod?
Er ist weit weg, aber er ist durchaus in meinem Kopf. Das ist aber auch richtig so. Das Bewusstsein über die Zeitspanne, die uns gegeben ist und wie wir sie für uns nutzen und füllen wollen, macht uns zum Menschen. Ich mache mir schon bewusst, wo ich auf diesem Zeitstrahl stehe. Es hilft, weise einzuordnen.
WhatsApp, Instagram und Facebook waren vor einigen Tagen für ein paar Stunden weg. War das für Sie ein Fluch oder ein Segen?
Ich habe ein bisschen geliebäugelt mit der Möglichkeit, dass wir davon erlöst werden.
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Setzten diese Art von Medien Sie unter Druck?
Ich glaube, die Allgegenwärtigkeit von Informationen und Bildern hat für jeden von uns weitreichende Konsequenzen. Für jeden Einzelnen und für die Gesamtgesellschaft.
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