Sein Leben wandelte sich um 180 Grad: Ohne eine Not-OP wäre Philipp Stehler zwei Tage später gestorben. Grund dafür war eine angehende Blutvergiftung, bedingt durch seine chronische Darmkrankheit, Colitis ulcerosa. Was niemand wusste: Über ein Jahr lang hatte Philipp einen künstlichen Ausgang mit einem Beutel am Bauch. In dieser schweren Zeit wandte sich auch seine Ex-Freundin, Fitness-Influencerin Antonia Elena, von ihm ab. Das warf den ehemaligen Polizisten zusätzlich mental aus der Bahn. Im Interview mit GALA spricht er jetzt erstmals über das Leben mit Beutel.
Philipp Stehler: „Ich konnte neun Tage lang keinen Krümel essen“
GALA: Warum mussten Sie notoperiert werden?
Philipp Stehler: Ich hatte eine angehende Sepsis, also eine Blutvergiftung. Meine Darmschleimhaut war so dünn, dass sie die giftigen Stoffe in meine Blutbahn gelassen hat. Grund war, dass ich wieder einen Schub meiner chronischen Darmkrankheit hatte – aber diesmal war es so schlimm, wie noch nie. Ich konnte neun Tage lang keinen Krümel essen. Denn jede Nahrung ist, als würde man Benzin ins Feuer kippen. Man bekommt bei jedem Bissen sofort Durchfälle und schwere Magenkrämpfe. Mein Arzt und ich hatten im Vorfeld schon über eine Notoperation als letzten Ausweg gesprochen, das wollte ich aber nie. Doch dann gab es keine andere Möglichkeit.
Wie ging es Ihnen nach der OP?
Ich bin aufgewacht und habe mich nicht getraut, nach unten zu gucken. Ich bin dann ganz langsam mit der Hand runter und hab ihn dann gespürt: den Beutel. Ich konnte mich die ersten Tage nicht selbst ansehen. Ich halte mich für einen sehr starken Charakter, aber da waren Gedanken, die ich zuvor nie kannte. Wie sollte ich jemals wieder was auf den sozialen Medien machen? Wie soll ich jemals wieder mit einer Frau sexuell aktiv werden? Mein Körper ist mein Kapital. Er ist alles, mit dem ich mich damals profiliert habe. Das hat mich alles mit voller Wucht getroffen. Ich habe mich so schlecht gefühlt, das kann man sich nicht vorstellen.
Philipp Stehler: „Zwei Tage später wäre ich gestorben“
Wie sind Sie mit dem Beutel am Bauch umgegangen?
Es fiel mir sehr schwer, weil Darm-Sachen immer unter den Teppich gekehrt werden. So vielen Menschen geht es wie mir, aber niemand redet darüber, weil es unangenehm ist. Ich glaube wenn das Thema mehr thematisiert werden würde, wäre mir alles leichter gefallen. Deswegen ist es mir so wichtig, mit meinem Buch darüber aufzuklären und das Thema nicht mehr totzuschweigen. Mein Arzt sagte mir dann, dass ich ohne Operation zwei Tage später gestorben wäre. Da hatte ich Tränen in den Augen und war wie im Tunnel. Es hat lange gedauert, aber irgendwann habe ich den Beutel als einen Lebensretter wahrgenommen und nicht mehr als etwas Schlimmes: Der künstliche Darmausgang hat mir mein Leben gerettet! Und dieses Bewusstsein zu entwickeln, ist super schwer. Ich möchte jetzt meine Reichweite nutzen, um allen Mut zu machen, die vom gleichen Schicksal betroffen sind. Während meiner Krankheit habe ich es fast niemandem gesagt – jetzt, wo ich ihn wieder los bin, fällt es mir einfacher, darüber zu reden.
Viele Follower und Menschen sind gegangen
Wie hat sich Ihre Krankheit auf Ihr Leben ausgewirkt?
In den Jahren vor der Krankheit hatte sich meine Realität völlig verschoben: Vom Schüler aus Brandenburg zum Polizisten und dann auf einmal in diese verrückte Jetset-Welt: Man reist um die Welt, bekommt Schauspiel-Rollen, ist auf Events, macht Party, wird auf der Straße erkannt und ist oberkörperfrei auf irgendwelchen Plakaten zu sehen. Und dann kam plötzlich die flache Hand und gab mir voll die Kelle. Eine Zeit lang war ich wie ohnmächtig und als ich wieder wach geworden bin, hatte ich etwa 25 kilo weniger auf den Rippen und lag im Krankenhaus. Es war so schnell alles weg. Aber dadurch hat sich herauskristallisiert, was wirklich wichtig ist. Ich hätte sofort alles, was ich habe, eingetauscht, nur um keine Schmerzen mehr zu haben. Es waren dann nicht mehr so viele Leute da, als noch alles cool war und ich durchs Fitnessstudio getanzt bin. Das war auch psychisch eine ganz schöne Belastungsprobe.
Hat sich dieser veränderte Lifestyle auch auf Ihre Online-Präsenz ausgewirkt?
Ja, total. Es hat ein kompletter Follower-Austausch stattgefunden. Ich habe viele Abonnenten aus dem Fitness-Bereich verloren, aber viele sind auch dazugekommen. Es geht jetzt wirklich um Content und nicht mehr ums Posieren. Früher war ich mehr Fitness und heute bin ich mehr Gesundheit. Das stupide Pumpen turnt mich heute eher ab. Während meiner Krankheit dachte ich, ich wäre am Ende meiner Karriere. Aber jetzt durch meine neue Ausrichtung haben sich ganz neue Märkte eröffnet: Ich lebe jetzt komplett vegetarisch, sogar überwiegend vegan.
„Eine nackte Frau hätte ich nicht mal gesehen.“
Wie haben Sie den Weg zurück in Ihr Leben gefunden?
Meine damalige Freundin hat mich damals während der Krankheit verlassen. Da dachte ich mir schon "krass, wie kann man jemanden in dieser Situation verlassen?". Sie hat es nie ausgesprochen, aber ich glaube, sie kam damit einfach nicht klar. Ich war für sie ein komplett neuer Mensch durch den Beutel am Bauch. Das verurteile ich nicht, denn es ist natürlich schwierig. Aber das hat mich nochmal extrem verunsichert. Ich hatte dann ein Jahr lang gar keine Dates, wollte einfach nur überleben. Über ein Jahr lang hätte man mir eine nackte Frau neben mich stellen können, ich hätte sie nicht gesehen. Das war in dem Augenblick so uninteressant. Auch nach einem Jahr Abstinenz habe ich mich nicht getraut, wieder jemanden zu treffen. Nur durch meine jetzige Freundin, Vanessa, habe ich wieder zu mir und zurück in ein normales Leben gefunden.
Wie haben sich Vanessa und Sie kennengelernt?
Ich habe mal bei Instagram rumgescrollt und eine Story von einer hübschen Blondine gesehen, die den Moonwalk macht. Dann hab ich einfach einen Kommentar da gelassen, weil ich das so cool fand. Dann sind wir ins Schreiben gekommen. Sie dachte erst, ich wäre so ein typischer Instagram-Boy und hat mich als Fuck-Boy abgestempelt. Aber je länger wir geschrieben haben, um so ernstere Themen ging es.
Seine Freundin Vanessa war der Wendepunkt
Inwiefern hat Ihnen Vanessa geholfen?
Sie war die erste Frau, die mich nicht in die Situation gebracht hat, erklären zu müssen, was mit mir los ist. Sie kommt aus dem medizinischen Bereich und deswegen war ihr klar, als ich ihr von den OPs erzählt habe, dass ich einen Beutel habe. Aber sie hat gemerkt, dass es mir unangenehm ist, darüber zu reden und deshalb haben wir es auch nicht gemacht. Sie hat mich nicht darauf reduziert. Das hat mir so viel Angst genommen und gleichzeitig so viel gegeben, sodass ich wieder ein normales Leben führen konnte. Das war der Wendepunkt.
Habt ihr schon Zukunftspläne?
Vanessa ist die erste Frau, mit der ich über einen längeren Zeitraum zusammenwohne. Ich habe noch nie in meinen Leben so lange eine Beziehung voller Harmonie, Ehrlichkeit und guter Laune geführt. Es ist meine erste wirklich ernste Beziehung. Bisher ist noch nichts in Richtung Hochzeit oder Kinder geplant. Aber wir wollen beide Eltern werden, also lässt es sich nicht vermeiden, wenn wir noch länger zusammen sind.
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