- Musiker Leslie Mandoki hat eine klare Meinung, was den derzeitigen Bundestagswahlkampf anbelangt.
- „Wir spüren alle, wie ambitionslos der Wahlkampf ist, es bleibt zu Vieles oberflächlich“, kritisiert er im Interview.
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Leslie Mandoki und seine Mandoki Soulmates sind zurück: Am Freitag (24. September) veröffentlicht die Band ihr neues Album „Utopia for Realists“. Im nächsten Jahr steht außerdem eine große Tour auf dem Programm. Auf dem Longplayer kommen – wie von Mandoki gewohnt – wieder gesellschaftspolitische Themen zur Sprache. Auch die Bundestagswahl treibt Leslie Mandoki um. Nach dem zweiten TV-Triell am 12. September war er zwar inmitten eines Jubelchores für CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (60) zu sehen, der „Armin Laschet wird Kanzler!“ sang. Mandoki selbst stand jedoch nur lächelnd dabei. Die Situation sei für ihn „obskur und sehr befremdlich“ gewesen, sagt er nun im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
Aufgrund der globalen Herausforderungen müssen Musiker lauter sein als jemals zuvor, haben Sie kürzlich gesagt. Warum ist es Ihnen so wichtig, auf Missstände aufmerksam zu machen?
Leslie Mandoki: Ich bin als Teenager hinter dem Eisernen Vorhang oft zensiert und verhaftet worden, weil ich schon damals der Meinung war, dass Künstler, insbesondere Musiker, eine ganz direkte, verantwortungsvolle Beziehung zu ihrem Publikum haben und den Auftrag, ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft zu sein. Gerade jetzt war die Pandemie ein Charaktertest für uns alle. Meine Mission ist es, Musik zu machen, die verbindet – und nicht spaltet.
Musik kann die beste Prophylaxe gegen das Eindringen radikalen Gedankenguts in die Mitte der Gesellschaft sein und ist damit ein wichtiger Schutzmechanismus für die Demokratie und unsere freiheitliche Solidargemeinschaft. Wir spüren alle, wie ambitionslos der Wahlkampf ist, es bleibt zu Vieles oberflächlich, wir vermissen kraftvolle, generationsgerechte Visionen. Gerade deshalb ist es so bedeutend, dass wir Musiker unser „Utopia for Realists“ besingen. Deshalb gibt es auch keinen Wahlkampfsong, sondern ein klares, ganzheitliches, künstlerisches Statement.
Leslie Mandoki: „Die Probleme, die wir verursachen, müssen von uns gelöst werden“
Der Klimawandel ist eines der Themen, das Sie umtreibt. Was tun Sie selbst, um klimaneutraler zu leben – und was kann jeder Einzelne tun?
Wir alle sollten uns für ein klimaneutrales Leben einsetzen. Das fängt mit täglichen Kleinigkeiten an: Damit, dass man immer einen Einkaufskorb dabeihat und keine Tüten mehr verbraucht, so wenig Plastik und Plastikverpackungen wie möglich kauft, und beispielsweise Zahnbürsten aus Holz benutzt und Etuis dafür nicht mehr aus Kunststoff, sondern aus Bambus verwendet. Die Ernährung sollte immer mehr saisonal und regional ausgerichtet und der Fleischkonsum reduziert werden. Solch kleine Schritte kann man in seinem persönlichen Umfeld tun. Und natürlich, sich als Künstler gesellschaftspolitisch für eine generationsgerechte Umwelt- und Klimapolitik einsetzen. Deshalb hatten wir für Fridays For Future unseren Song „Young Rebels“ geschrieben:
Unsere Umwelt zu erhalten, zum Beispiel den Hambacher Forst zu bewahren, ist schlicht und einfach gelebte Generationsgerechtigkeit. Umwelt- und Klimaschutz darf nicht auf Kosten unserer Enkel gehen. Das heißt, dass die Probleme, die wir verursachen, auch von uns gelöst werden müssen.
Sie sind einst in den Westen geflohen. Wie blicken Sie auf Ihre Anfänge zurück?
Als ich als illegaler Einwanderer, als Geflüchteter und Asylsuchender ohne ein Wort Deutsch zu können mit 22 Jahren hierherkam, habe ich ein unglaublich tolerantes und lebenswertes Land vorgefunden, das verliebt war in das Gelingen. Eigentlich wollte ich nur eine kurze Weile in Goethes und Schillers, Bachs und Beethovens Land bleiben, um dann weiter nach Amerika ins gelobte Land der Musiker zu ziehen. Dank Klaus Doldinger und Udo Lindenberg bin ich dann aber sehr schnell stolzer Bürger von Udos ‚bunter Republik‘ geworden.
Heute sage ich, dass Deutschland mein Zuhause, Ungarn mein Geburtsland und meine Heimat Europa ist. Ich bin unendlich dankbar für alle Möglichkeiten, die ich bekam, mich als Künstler zu entfalten. Es ist für mich ein ehrenvolles Privileg, das nach wie vor tun zu dürfen.
In der Bundestagswahl treten Sie als Unterstützer der CDU auf. Was halten Sie vom Wahlkampf?
Mich bedrücken die allgemeine Ambitionslosigkeit und Oberflächlichkeit dieses entpolitisierten Wahlkampfes. Dabei sind die Herausforderungen, die vor uns liegen, so bedeutend, dass wir sie nur gemeinsam bewältigen können. Im zweiten Triell wurde zum Beispiel über das Bildungssystem, in dem wir in allen Bereichen massive Defizite haben, nicht einmal gesprochen.
Die Themen Integration und Wertevermittlung kamen auch nicht auf den Tisch, was ich als ehemaliger Asylant besonders vermisse. Nicht einmal ansatzweise wurde über Europa, das gerade massiv ins Wanken gerät, debattiert. Dabei ist es so wichtig, dass die auseinanderdriftende EU wieder zusammengeführt wird. Nach Willy Brandts Motto: „Wandel durch Annäherung“.
Eine gerechte Zukunft werden wir nur schaffen, wenn die Bildungschancen, völlig unabhängig von der soziokulturellen und sozioökonomischen Herkunft, für alle gleich sind.
CDU-Jubelchor war „völlig unangemessen“
Ein Chor von CDU-Unterstützern nach dem TV-Triell wurde in den sozialen Medien belächelt. Wie ging es Ihnen in dieser Situation?
Ich fand die Situation obskur und sehr befremdlich. Ich fuhr vom Triell mit Armin Laschet und einigen CDU-Politikern zum Konrad-Adenauer-Haus. Ich fand den Jubel der engagierten, jungen Leute freundlich, aber in diesem Kontext für mich völlig unangemessen. Hier geht es um die Zukunft unseres Landes, eine immense Herausforderung, da zu vieles zu lange liegen blieb. Auch die bisherige, katastrophale Klimapolitik bedarf jetzt einer ganzheitlichen Antwort. Ich war aus gutem Grund extrem zurückhaltend, ich fühlte mich in diesem Jubelchor vollkommen fehl am Platz.
„Utopia für Realists“ ist Ihr erstes Album, das weltweit veröffentlicht wird. Wie stolz sind Sie darauf?
Natürlich sind wir unendlich stolz darauf, dass wir zum 30. Bandjubiläum eine weltweite Veröffentlichung haben. Das ist der Traum eines jeden Musikers von Buenos Aires bis L. A., von New York bis Tokio, von London bis Berlin: Überall gleichzeitig werden Musikliebhaber von unserer künstlerischen Vision angesprochen. Deshalb sage ich Danke, dass ihr unsere musikalische Utopie teilt, wir ein Teil eures Lebens sein dürfen und Ihr uns in eure Seele und eure Herzen lasst, was uns künstlerisch so bewegt.
Wie sehr freuen Sie sich bereits darauf, wenn die Mandoki Soulmates wieder gemeinsam auf der Bühne stehen können?
Wir haben dieses Album am 21. August vor mehr als 30.000 Leuten einmal auf der Bühne bringen dürfen. Es war so bewegend, wieder miteinander zu proben und ein großes Konzert ohne Einschränkungen spielen zu dürfen. In den Augen der Veranstalter war es ein gewagtes Abenteuer, da wir ein reines Albumvorstellungskonzert mit ausschließlich neuer Musik gespielt haben. Aber wir sind davon überzeugt, dass wir genau das unserem Publikum schuldig sind. Eine Musik für Heute und für Morgen. Das war der Soundtrack für das Licht am Ende des Covid-Tunnels. Die vielen Zugaben und Standing Ovations waren eine unglaubliche Bereicherung und Inspiration.
Er schwärmt von seiner Tochter
Auch Ihre Tochter Julia ist an „Utopia for Realists“ beteiligt. Wie ist es, sie als Familienmitglied im Boot zu haben?
Das ist natürlich sehr bereichernd. Julia ist eine außerordentlich begabte Songwriterin und eine Ausnahmesängerin und das ist eine neue Facette unserer Philosophie. Auch musikalisch bilden die Young und Old Rebels gemeinsam eine wunderbare Melange für eine generationsgerechte Brücke in der Klangästhetik ebenso wie in den lyrischen, musikalischen Botschaften. Deshalb ist es für mich ein bewegender Moment, dass hier neben so vielen legendenbildenden Ikonen auch Vater und Tochter gemeinsam im Studio und auf der Bühne Musik gestalten können. © 1&1 Mail & Media/spot on news
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