Berlin (dpa) – Ein junger Mann fährt nach zwölf Jahren erstmals wieder zu seiner Familie. Er will dort persönlich sagen, dass er todkrank ist und bald sterben wird. Und er will sich die Illusion bewahren, bis zum Schluss Herr über sein Leben zu bleiben.
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Ob ihm das gelingt, zeigt das Drama „Einfach das Ende der Welt“ an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr auf Arte.
Louis (Gaspard Ulliel) war 22, als er seine Familie verließ. Jetzt kehrt er zurück, an einem heißen Sommertag. Was ihn erwartet, macht nicht gerade Mut: Mutter Martine (Nathalie Baye) ist oberflächlich, vergesslich und übertrieben geschminkt. Einen Vater gibt es offenbar nicht mehr. Die jüngere Schwester Suzanne (Léa Seydoux) wirkt ständig genervt, lobt ihn aber, dass er nie ihre Geburtstage vergessen hat.
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Der ältere, aggressive und oft peinliche Bruder Antoine (Vincent Cassel) attackiert den eher stillen Rückkehrer andauernd – vermutlich auch, weil er sich als schlichter Handwerker dem sensiblen Dichter unterlegen fühlt. Nur dessen Frau Catherine (Marion Cotillard) ist Louis zugetan, sie treffen das erste Mal aufeinander. Sie beginnt als Einzige zu ahnen, warum er wirklich gekommen ist.
Regisseur Xavier Dolan (32, „I Killed my Mother“, „Der verlorene Sohn“) adaptiert hier ein Theaterstück des französischen Autors Jean-Luc Lagarce, der 1995 mit 38 Jahren starb. Er war HIV-positiv, und das könnte auch auf Louis zutreffen – offen gesagt wird es nicht.
Auch, warum er der Familie einst den Rücken kehrte, wird nicht so recht deutlich. Vielleicht, weil er schwul ist und sein eigenes, freies Leben haben wollte? Nicht einmal seine genaue Adresse sagt er ihnen, worauf die Mutter antwortet: „Du bist komisch.“
Das gilt wohl für alle Figuren in diesem Film, der weder komisch noch lustig ist, sondern sehr ernsthaft. Dolan erzählt Vieles über intensive, oft hilflose Blicke in großen Nahaufnahmen, erklärt wird darüber hinaus nichts. Es wird reichlich gegessen, oft geschrien und sich nahezu andauernd entschuldigt – nur wirkliches Interesse für den anderen zeigen kann oder will hier offenbar niemand.
Die durchweg prominenten Schauspieler verkörpern hervorragend, wie in dieser merkwürdigen Familie viel geredet, aber nichts gesagt wird. Vor allem Gaspard Ulliel (36, „Saint Laurent“) gibt den vollkommen verloren wirkenden Bruder und Sohn als verzweifelten Mann, der hier als einziger weint und herzzerreißend melancholisch blicken kann.
Louis hat Angst vor der Familie – und er hat vor allem Angst, ihr die Wahrheit zu erzählen. „Vielleicht weinen sie nicht einmal“, erzählt er seinem Freund am Telefon und fügt hinzu, dass es nur ein Familienessen sei und nicht das Ende der Welt. Was natürlich nicht stimmt: Zum Schluss ist nichts wirklich gesagt oder ausgesprochen. Louis reist unverrichteter Dinge ab – und das bedeutet für ihn natürlich das Ende der Welt, und nicht nur der, wie er sie kennt.
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