- Die Band Garbage gründete sich 1995 und besteht seitdem in Originalbesetzung.
- Gerade ist das siebte Album der Band mit dem Titel „No Gods No Masters“ erschienen.
- Mit Sängerin Shirley Manson sprachen wir über das Album, Feminismus und Frauen im Musikbusiness.
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Frau Manson, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „No Gods No Masters“ wird oft von einem Comeback von Garbage gesprochen. Die ersten Arbeiten an der Platte begannen aber schon 2018, also gerade mal zwei Jahre nach dem Erscheinen des Vorgängers „Strange Little Birds“. Stört Sie der Begriff?
Shirley Manson: Nun, ich habe ja keine Wahl. Wenn es der Ausdruck ist, den die Leute verwenden wollen, dann sei es so. Es ist irrelevant, was ich darüber denke. Ich glaube, viele sind einfach auch sehr daran gewöhnt, wie Popstars von heute ihre Platten machen: Sie gehen auf Tour, in der Zeit werden die Platten für sie geschrieben – und dann ist schon eine neue CD draußen. So funktioniert das moderne Musikbusiness – aber wir sind super-oldschool. Wir gehen für ungefähr 18 bis 24 Monate auf Tour, dann kommen wir zurück, dann überlegen wir erst, was wir machen wollen.
Wie entstanden denn die Songs für die Platte?
Für dieses Album haben wir uns in Palm Springs getroffen und zwei Wochen lang geschrieben. Das bedeutet im Grunde, dass wir im Kreis saßen, unsere Instrumente spielten und gejammt haben. Unser Gitarrist Duke Erikson hat dann die vielen Stunden Aufnahmen durchgehört und 16 Songs ausgewählt, die er für die stärksten hielt. Mit diesen 16 Songs haben wir dann in Los Angeles weitergearbeitet.
Der Albumtitel „No Gods No Masters“ klingt nach Aufruhr, Revolution, Wut! Wer kam darauf?
Der Titel des Albums stammt von mir. Das ist eine alte Phrase von ungefähr 1880 [der Begriff wurde seit dem 19. Jahrhundert von Anarchisten und Arbeitern in England und Frankreich verwenden; Anm.d.Red.]. Ich persönlich finde den Slogan aber nicht wütend. Für mich bedeutet er, dass wir alle gleich sind und deswegen auch gleich behandelt werden sollten. Das ist doch eine wunderbare Ansicht, daran ist nichts Wütendes. Wenn man sich gegen ein Jahrhunderte altes System auflehnt, möchten einige Menschen dieses Bestreben kleinreden und es als wütend darstellen. Das ist es nach meinem Empfinden aber nicht.
Hatte die Corona-Pandemie und die damit verbundenen weltweiten Einschränkungen Einfluss auf die Aufnahmen oder auch die Themen des Albums?
Die Platte war eigentlich mehr oder weniger fertig, bevor die Pandemie begann. Natürlich noch nicht komplett, aber der Schreibprozess wurde nicht davon beeinflusst. Worauf die Pandemie natürlich Einfluss hat, ist das ganze Prozedere danach. Die Arbeit mit der Presse zum Beispiel: Normalerweise wäre ich jetzt in München, wir würden von Angesicht zu Angesicht miteinander reden und das wäre natürlich wesentlich interessanter. Aber Menschen sind anpassungsfähig, so funktioniert es ja auch.
Garbage – The Creeps (Official Video)
Shirley Manson: „Ich bin keine wütende Feministin“
Seit Beginn der Band hat man Sie als das hübsche Gesicht von Garbage bezeichnet. Leider muss man sagen: oft genug auch wirklich nur als das. Hat sich das über die Jahre geändert? Fühlen Sie sich als Musikerin heute ernster genommen als früher?
Hier bin ich, 25 Jahre nach dem ersten Album. Ich schreibe Songs, Texte, habe Ideen für die Produktion – und gelte immer noch als „das Gesicht“. Das ist ein Problem, dem sich Frauen während ihrer gesamten Karriere ausgesetzt sehen. Ich werde immer noch von Menschen, sogar von Familienmitgliedern, gefragt, ob ich mich denn als Musikerin sehe. Ich habe hunderte veröffentlichter Songs geschrieben! Was macht man da, wenn man mit 54 Jahren noch immer solche Fragen gestellt bekommt? Ich weiß es nicht, ich habe keine Antwort. Ich wurde immer als hysterische, wütende Feministin dargestellt. Aber nein, ich bin keine „wütende Feministin“. Ich will, dass meine Arbeit anerkannt wird. Ich bin es einfach nur leid, verleugnet zu werden.
Schaut man sich zum Beispiel die Line-ups vieler Festivals an, sieht man, dass der Frauenanteil in Bands und auf der Bühne sehr gering ist. Waren wir nicht schon mal weiter?
In den 1990ern gab es viele unabhängige und starke Frauen in der Musikszene und es fühlte sich wirklich so an, als würden sich Dinge ändern. Aber dann kam der 11. September und das Musikprogramm der Radiosender wurde sehr konservativ. Es dominierten Popstars, die dem „Male Gaze“ [der Blick aus einer männlichen heterosexuellen Perspektive; Anm.d.Red.] entsprachen, die nur performt und ihre Songs nicht selbst schrieben haben. Die alternative Szene wurde verdrängt. Aber auch in der Musikszene ist alles in Bewegung. Ich glaube an die neue Generation junger Frauen. Und ich finde, dass alle viel engagierter sind. Heute sind die Stars des Pop, Rock oder Hip-Hop eher bereit, über Dinge wie psychische Gesundheit, LGBTQ-Themen, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und dergleichen zu reden. Ich halte das für eine wunderbare Sache, es hat einen positiven Einfluss auf die ganze Gesellschaft. Natürlich ist noch ein langer Weg zu gehen, aber ich klammere mich an die Hoffnung.
„Ich kann kreativ bleiben, bis ich sterbe“
Altern ist für Frauen oft schwieriger als für Männer, gerade auch im Musikbusiness. Es wird ihnen verwehrt und ewige Jugendlichkeit erwartet. Wenn Sie an die Zukunft denken: Sehen Sie sich dann weiter auf der Bühne, als Rockstar?
Als ich jünger war, hat auch mich die Vorstellung einer alten Frau auf der Bühne entsetzt. Aber mir ist klar geworden, dass ich einfach nur diese patriarchalische Sicht der Dinge verinnerlicht hatte: dass eine Frau ihren Wert verliert, wenn sie älter ist. Viele Männer setzen ihre Karriere bis in ihre Siebziger fort – aber um Gottes Willen doch keine Frau! Doch dann habe ich meine Heldinnen wie Patty Smith, Chrissie Hynde, Debbie Harry oder Stevie Nicks auf der Bühne gesehen. Zum ersten Mal hat eine Generation Musikerinnen einfach weitergemacht. Und auch deswegen ist Repräsentation so wichtig. Hat man das gesehen, weiß man: Das will ich auch, das kann ich auch! Ich kann kreativ bleiben, bis ich sterbe. Warum sollte ich mir von irgendjemandem sagen lassen, dass ich keine Künstlerin mehr sein kann? Weil niemandem die Vorstellung einer faltigen Frau auf der Bühne gefällt? Ich war mein ganzes Leben lang trotzig und ich sehe keinen Grund, jetzt damit aufzuhören.
Aber neben den Erwartungen von außen ist das Leben als Rockstar – gerade auch auf Tour – ja auch durchaus kräftezehrend. Dann macht sich doch das Alter bemerkbar: der Rücken, die Knie … Wird das nicht zu anstrengend irgendwann?
Nichts ist leicht, wenn man älter wird! Aber ich will weitermachen. Ich habe das mein ganzes Leben getan, seit ich 15 war. Ich habe das große Glück, dass mein Körper mitmacht. Ich habe keine Schmerzen, bin nicht beeinträchtigt. Ich bin sicher, wenn es körperlich schwierig werden würde für mich, müsste ich meine Karriere überdenken. Aber im Moment ist alles perfekt und ich liebe, was tue.
Vielen Dank für das Gespräch!
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