Jan Delay: "Kein Aluhut-Quatsch in meinem Umfeld"

  • Mit einem Jahr Verspätung ist Jan Delays Album „Earth, Wind & Feiern“ erschienen.
  • Auf „Corona-Songs“ hat der Musiker bewusst verzichtet.
  • Im Interview spricht er über seine neue Platte, die Lockdown-Zeit, Capital Bra – und Xavier Naidoo.

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Eigentlich wollte sich Jan Delay schon im Mai 2020 musikalisch zurückmelden – doch dann kam die Pandemie, und die Veröffentlichung von „Earth, Wind & Feiern“ wurde immer wieder verschoben. Jetzt hat das Warten ein Ende, seine Fans bekommen zwölf neue Songs und viel Optimismus zu hören: „Es sind finstere Zeiten, aber das muss gar nicht sein, lass uns die Wolken vertreiben, ich hab Sonne dabei“, textet Delay im Opener „Intro“.

Es ist ein bunter Stilmix geworden, von Ska über HipHop und Reggaeton bis hin zu frischen Electrobeats – und das Wort Corona taucht nicht ein einziges Mal auf.

Musik ohne Corona-Blues, dafür aber mit Auto-Tune

„Es sind während der Pandemie noch zwei Songs hinzugekommen, die hatten aber nichts mit Lockdown-Inspiration zu tun“, erzählt Jan Delay im Interview. „Ich hatte keine Lust, dieser tollen Platte, welcher von Corona so in den Arsch getreten wurde, nachträglich noch einen Corona-Floh in den Pelz setzen – das hätte die Platte nicht verdient. Ich will lieber Musik machen, die motiviert, euphorisiert, die Kraft gibt, damit man diese Scheiße anpacken kann.“

Dafür benutzt Delay auch erstmals den Auto-Tune-Effekt für seine Stimme, in einer humorvollen Hommage an die digitale Assistentin „Alexa“. „Dieser Song ist meine Interpretation davon, wie momentan Musik klingt, die von Clubsound, Trap und Afro-Karibik inspiriert ist. Wenn ich diesen Song mit normaler Stimme aufgenommen hätte, hätte das komisch geklungen. Dann machst du Auto-Tune drauf und es klingt sofort stimmig.“

Angesprochen auf den Rapper Capital Bra, der den Auto-Tune-Sound in den vergangenen Jahren enorm erfolgreich zu nutzen wusste, zeigt der 20 Jahre ältere Delay Respekt: „Beim Thema Deutsch-Rap 2018 bis 2020 kommt man um seinen Namen nicht herum, der hat alle getoppt. Als ich seine ersten Songs hörte, habe ich das kaum ernst genommen. Aber er ist gut, kommt von ‚Rap am Mittwoch‘, ist durch diverse Battles gegangen – er weiß, was er tut, und ich habe großen Respekt vor seinem Arbeitsethos. Es ist unfassbar, wie viel er veröffentlicht, wie er das Ganze in den sozialen Medien befeuert. Und dann bringt er auch noch seine eigene Pizza raus und rappt dazu „ich bin kein Rapper aus Amerika, aber meine Pizza gibt es jetzt bei Edeka, be-le-le-legt mit Käse“. Krasser Typ! Sein Werbe-Rap ist besser als so mancher richtige Rap-Song in den Charts.“

Jan Delay über die Zeiten im Lockdown

Zu Beginn der Corona-Zeit genoss Delay noch „die Entschleunigung und das Zusammensein mit meiner Familie, mehr Zeit zu haben. Aber je länger die Einschränkungen andauern, desto mehr nervt diese Situation. Mittlerweile hätte ich gerne weniger Zeit.“

Es sei allerdings nicht so einfach, auf die missliche Situation der Kulturschaffenden hinzuweisen: „Es ist schwierig, sich als Künstler öffentlich hinzustellen und zu klagen, wenn man selbst weiß, wieso die Bühnen zu sind. Was soll die Regierung denn antworten? – Till Brönner hat das mit seinem Facebook-Video sehr gut gemacht, finde ich, aber das einfach nur zu wiederholen, wäre sinnlos gewesen. Als gutverdienender Musiker wirst du auch schnell schief angeguckt – ‚der kann sich doch nicht beklagen‘. Insofern wäre es natürlich sinnvoll, wenn Beleuchter, Bühnentechniker und so weiter solche Videos gemacht hätten. Haben sie vermutlich auch, nur guckt die kaum jemand.“

Bedenklich stimme ihn die zunehmende soziale Distanz, sagt Delay: „Die Leute haben jetzt gemerkt, dass sie auch ihren Yoga-Kurs per Zoom-Konferenz machen können. Der Einzelhandel fing schon vor vielen Jahren an, zu sterben – und obwohl die Shopping-Malls früher als Inbegriff des kulturellen Untergangs gesehen wurden, gibt es heute Kulturhistoriker und Leute wie mich, die den Malls nachweinen, weil sie ein Ort von menschlicher Zusammenkunft waren. Jetzt gehen alle in Einzelhaft mit ihrem Handy, das wurde durch Corona nochmal befeuert.“

Fassungslosigkeit über Kollege Xavier Naidoo

Froh ist Jan Delay, dass in der Corona-Zeit niemand in seinem Bekanntenkreis zum Verschwörungstheoretiker wurde: „Bei manchen Freunden habe ich emotionale Reaktionen bemerkt, die so vorher nicht da waren, aber das fand ich angesichts der Situation verständlich. Diese krass andere Lage hat uns allen etwas abverlangt, erst die Angst vor dem Virus, dann Existenzangst, die Isolation… Ich verstehe, wenn da mal jemand kurz abdreht. Es gab aber in meinem Umfeld niemand, der auf einmal dem ganzen Schwurbel-Aluhut-Quatsch hinterhergelaufen ist.“

Sprachlos sei er allerdings bei Äußerungen von Xavier Naidoo, mit ihm hatte Delay auf seinem Album „Searching For The Jan Soul Rebels“ (2001) zusammengearbeitet.

„Ich habe ihn das letzte Mal vor drei Jahren gesehen, beim Unplugged-Konzert von Samy Deluxe. Da haben wir uns kurz unterhalten und das war in Ordnung. Jetzt gibt es von ihm einige Äußerungen, wo ich gar nicht glauben konnte, dass er so etwas sagt. So wie ich ihn kennenlernte, ist er ein Antifaschist. Er ist früher selbst rassistisch beleidigt worden und hat sein Leben danach ausgerichtet, anderen Leuten zu helfen und unter die Arme zu greifen. Man darf nicht vergessen, was Xavier Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre in Mannheim alles auf die Beine gestellt hat, wie vielen Menschen er geholfen hat. Das soll jetzt nichts entschuldigen, aber es kann vielleicht erklären, warum ich heute bei einigen Statements von ihm so fassungslos bin.“

Neues Album:
Jan Delay: Earth, Wind & Feiern (Realease am 21. Mai)

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