‚Aufstehen für die Kunst‘: Künstler drohen mit Klage

Darf man Goethe, Schiller, Wagner, oder Bach einfach wegsperren?“, fragt der Opernsänger Kevin Conners. Vor knapp einem Jahr schlossen die Theater, Opernhäuser und Konzertsäle. Auf die erste Lockerung im Sommer und Herbst folgte der zweite Lockdown – obwohl eine Vielzahl von Studien bewiesen hat, dass sich bei ausgefeilten Hygienekonzepten eine Ansteckung in Kulturstätten nahezu ausschließen lässt.

Die Initiative „Aufstehen für die Kunst“ wollte bereits im Dezember gegen die Ungleichbehandlung des Kulturbereichs klagen. Nach der Ausrufung des Katastrophenfalls durch den Ministerpräsidenten sah man davon ab. Nun sieht die Initiative um Kevin Conners, Christian Gerhaher, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke und dem Dirigenten Hansjörg Albrecht den richtigen Zeitpunkt für diesen juristischen Schritt, weil bald auch Gartencenter und Baumärkte wieder öffnen dürfen.

Christian Gerhaher verwies auf eine „unehrliche Argumentationsweise“ der Politiker. Wenn der Weg zum Theater mit dem Nahverkehr das eigentliche Risiko sei, wie oft behauptet, sei der Weg zum Einkaufen ähnlich gefährlich. „Wir wollen, dass sich diese Unverhältnismäßigkeit nicht mehr wiederholt“, sagte er bei einer Pressekonferenz im Gasteig.

Entscheidung nach dem 3. März

Man wolle spätestens nach dem kommenden Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten am 3. März in einem Eilantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Öffnung der Theater verlangen, sofern von der Politik keine Lockerungen in Aussicht gestellt werden.

Der Initiative haben sich diverse Festivals, Kulturverbände, Künstleragenturen, Musikverlage, Musikalienhandel, CD-Labels, Instrumentenbauer, Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker angeschlossen – überwiegend aus dem Klassik-Bereich. Neben den bereits genannten Künstlern unterstützen auch Anne-Sophie Mutter und Rolando Villazón die Initiative.

Die Initiative beruft sich auf die im Grundgesetz und in der bayerischen Verfassung garantierte Kunstfreiheit. Der Staat dürfe nur dann in Grundrechte eingreifen, wenn von Kulturveranstaltungen selbst eine konkrete Gefahr für die Gesundheit ausgehe, so Hertel. Nicht zulässig seien seiner Auffassung nach Untersagungen, um damit nur mittelbare Ziele zu erreichen, wie etwa möglichst wenig Mobilität. Das sei bei der Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit berücksichtigt worden, nicht aber der Kultur.

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Der Wunsch nach mehr Verhältnismäßigkeit

Die Initiatoren leugnen die von der Pandemie ausgehenden Gefahren keineswegs. Sie wünschen sich aber mehr Verhältnismäßigkeit. Sie plädieren für eine vorsichtige Öffnung aufgrund der Ergebnisse des Pilotprojekts der Bayerischen Staatsoper im Herbst und den infektionsfrei durchgeführten Salzburger Festspielen. Die Plätze sollen im Schachbrettmuster besetzt, die Säle etwa zur Hälfte gefüllt werden. Eine starre Obergrenze unabhängig von der Raumgröße lehnt die Initiative ab.

Die Initiatoren empfinden zahlreiche Äußerungen aus der Politik zum Kulturbereich als kränkend, etwa die oft zitierte Einreihung unter „Freizeiteinrichtungen“ und die Nennung von Veranstaltungsstätten im Zusammenhang mit Bordellen. „Wir klagen nicht an, sondern suchen dafür eine gerichtliche Klärung“, so Christian Gerhaher. „Was uns jedoch auffällt, und was wir tatsächlich als unverständlich anprangern, ist das offensichtlich geringe Interesse an den Künsten vonseiten der Politik in diesen Zeiten.“

Ein Gespräch mit Kunstminister Bernd Sibler sei zwar freundlich, aber ohne Ergebnis verlaufen. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer, derzeit Vorsitzender der Kulturministerkonferenz habe keinen Termin freigehabt. Das Gespräch mit dem Hamburger Kultursenator Carsten Brosda, der auch Präsident des Deutschen Bühnenvereins ist, schilderte Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als eher unersprießlich.

„Wo ist die finanzielle Unterstützung geblieben?“

Ob geklagt wird, soll Anfang März beschlossen werden. Hertel rechnet mit einer raschen Entscheidung des Gerichts, angesichts der Vielzahl gleichlautender wissenschaftlicher Studien hält er die Vorgangsweise für aussichtsreich. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke beklagte in der Pressekonferenz die schleppend ausbezahlten Hilfen und das mangelnde Entgegenkommen einzelner Opernhäuser wie der Dresdner Semperoper.

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Kevin Conners verlangte Arbeitslosenhilfe und Kurzarbeitergeld auch für Solo-Selbstständige. Er berichtete, in seinem Bekanntenkreis aus Sängern, Musikern, Dirigenten, Regisseuren und Schauspielern hätten bisher nur einige Kollegen maximal 6.000 Euro Hilfspaketgelder bekommen.

„Millionen oder sogar Milliarden Euro in Form von Rettungspaketen seitens der Regierung sind angekündigt. Wo ist die finanzielle Unterstützung geblieben?“, so Kevin Conners. Er berichtete auch von Kollegen, die nun als Arzthelfer oder Backwarenverkäufer arbeiten oder Telefondienst in einer Anwaltskanzlei verrichten. Und das ist bitter.

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