Münchner Drehleier: Urgestein mit digitaler Zukunft

München – Zuweilen ist man sicher, dass das Stück gerade erst geschrieben worden sein kann. Frau Müller, Herr Meier und Herr Schulz beklagen wortreich ihr „genormtes Dasein“, ihr Sehnen nach einem anderen Leben ohne all die Einschränkungen, die den Alltag so lästig machen.

Aber die aufgekratzte Farce „Meier Müller Schulz oder Nie wieder einsam“ ist mehr als zehn Jahre alt und wurde 2009 in Oldenburg uraufgeführt. Der norddeutsche Autor Marc Becker erzählt über eine Single-Gesellschaft, die zunehmend unter dem Alleinsein leidet und eine radikale Lösung des Problems findet: Geiselnahme.

Drehleier in München sendet aufgekratzte Farce als Livestream

Es ist die jüngste Produktion des Theaters Drehleier, das freilich, wie alle anderen Theater im Land, im Corona-Lockdown und damit bis auf Weiteres kein öffentlicher Ort ist. Wie auch anderswo nutzt man an der Rosenheimer Straße die Möglichkeiten des Internets und sendet das Stück bis Ende März als Livestream.

Hinter dem Projekt stecken Uta Kargel, Max Beier und Sandro Kirtzel, die zuvor bereits mit der französischen Komödie „Kasimir und Kaukasus“ von Francis Veber in der Übersetzung von Dieter Hallervorden für volles Haus sorgten. „Meier Müller Schulz“ lockte an den beiden Tagen des Premierenwochenendes rund 600 Zuschauer vor die Bildschirme. Das sind mehr als in zwei ausverkauften Vorstellungen in der 199 Plätze fassenden Drehleier.

Drehleier: Urgestein der Münchner Kleinkunstszene

Die boulevardeske Komödiantik ist neu im Sortiment der Drehleier, die seit ihrer Gründung 1976 – damals noch in der Balanstraße – zum Urgestein der Münchner Kleinkunstszene gehört. Ottfried Fischer und Bruno Jonas spielten dort ebenso wie Sigi Zimmerschied oder Gerhard Polt, die frühe Spider Murphy Gang oder der junge Konstantin Wecker musizierten dort.

Inzwischen liegt der Programmschwerpunkt neben dem traditionellen Kabarett in schrägen musikalischen Späßen wie zuletzt „Gämsendämmerung“, einem „Bavarical“ um den legendären Wilderer Jennerwein, das Hausherr Werner Winkler selbst inszenierte. Andere Standbeine sind Improvisationstheater und, mitten in Haidhausen, die sinnlich-farbenfrohe Burleske.

Drehleier-Chef Winkler vom Erfolg der Komödie „sehr überrascht“

Max Beier, der Meier aus der aktuellen Geiselnehmer-Klamotte, gastiert mit seinem Duopartner David Hang gleichfalls mit jugendlich frischer Comedy in der Drehleier. 2018 und 2019 spielte er in der Daily Soap „Sturm der Liebe“ mit, und zwar in den Folgen 2.945 bis 3.231, wie Wikipedia gewissenhaft notiert.

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Vom Set der Telenovela brachte der Sohn der Münchner Karabettistin Angelika Beier Uta Kargel und Sandro Kirtzel mit auf die Bühne. Der altgediente Kleinkunst-Chef Winkler räumt ein, über den großen Erfolg der Komödianten auf seinem Brettl „sehr überrascht“ gewesen zu sein. Nicht nur waren die Vorstellungen ausverkauft, sondern das Publikum war jünger und reiste bundesweit an.

Drehleier: Rund 14.000 Euro wurden an Karten erstattet

Es waren vor allem die Fans von „Sturm der Liebe“, die „alles mitnehmen, was in diesem Umfeld passiert“, weiß Winkler heute. Mit „Kasimir und Kaukasus“ sowie der gleichfalls gut verkauften Schlagerrevue „Italia con amore“ konnte er ein kleines finanzielles Polster erwirtschaften. Zudem kam nicht nur die „November-Hilfe“ des Bundes für seinen Betrieb an, sondern sehr dankbar ist er den Spendern, die die Aktion „Theater Drehleier soll weitermachen“ bisher mit über 5.000 Euro unterstützten.

Doch die Sorgen über das Überleben der Drehleier über die nächsten völlig ungewissen Monate hinweg bleiben: Für seit November gestrichene Vorstellungen mussten rund 14.000 Euro an Karten erstattet werden, die Kosten laufen munter weiter und als Gastronom, der er mit seinem Theater auch ist, ist er in absehbarer Zeit zu einer Maßnahme gezwungen, die im bierverliebten München schmerzt: „In der Kühlung steht Bier, das nicht ewig hält und das wir irgendwann entsorgen müssen.“

Weitere Livestreams von „Meier Müller Schulz“ sind für Februar und März geplant. Anfragen unter [email protected]. Spenden unter www.betterplace.me

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