Zubin Mehta dirigiert: In gelassener Heiterkeit gegenseitig inspirieren

München – Dass Zubin Mehta bei den Orchestern sehr beliebt ist, bestätigen alle Musiker, mit denen man spricht. Nachdem eine Tournee mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Pandemie-bedingt abgesagt wurde, legt der 84-Jährige einfach einen Aufenthalt in München ein.

Zubin Mehta: Kreativ-produktiver Zwischenstopp in München

Innerhalb von sechs Tagen dirigierte Mehta alle drei großen hiesigen Orchester. Den ersten Besuch hatte Mehta dem Bayerischen Staatsorchester abgestattet, mit dem er im Nationaltheater die „Große“ Symphonie C-Dur realisierte von Franz Schubert.

Hatte er bei diesem Werk mit sanftem Vorwärtsdrängen dessen „himmlischer Länge“ entgegengewirkt, fasst er wenige Tage später die frühe Symphonie Nr. 3 D-Dur als absichtsloses Spiel auf.

Haydns Symphonie Nr. 96 „Das Mirakel“ beglückt geradezu

Weil der BR auf eine Videoaufzeichnung verzichtete, kann man leider nur erahnen, mit welchen unprätentiösen Gesten Mehta mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kollegiales Einvernehmen herstellt. In gelassener Heiterkeit antworten die Holzbläser wechselseitig auf ihre Lockrufe und inspirieren sich zu pfiffigen Soli.

Geradezu beglückend gerät die Symphonie Nr. 96 „Das Mirakel“ von Joseph Haydn. Gegenüber mancher vibratolos steriler Aufführung der letzten Jahre klingt das BR-Symphonieorchester nicht nur um Längen besser, sondern hat überdies noch unendlich mehr Ausdrucksmöglichkeiten: Transparent strahlende Tutti stehen zweifelnde Einsamkeitsbilder und handfest düstere Passagen gegenüber, sodass hier auch jene Abgründigkeit aufbrechen kann, die beim späten Haydn so beunruhigend ist.

BR-Symphonieorchester: Man ist sich im Lockdown nicht fremd geworden

Da der Chor des Bayerischen Rundfunks derzeit laut Hygieneplan nicht mit dem Orchester zusammen auftreten darf, gestaltet Mehta mit den Sängern zusammen die beiden A-cappella-Sätze aus den „Quattro Pezzi Sacri“ von Giuseppe Verdi. Konkurrenzlos ist, wie sauber selbst die vertracktesten Windungen intoniert werden und der Klang dennoch Wärme ausstrahlt (Einstudierung: Peter Dijkstra). Man ist sich im Lockdown nicht fremd geworden.

Das ist bei den Münchner Philharmonikern auch so. Und man bekommt sie im Video zu Gesicht. Faszinierend, mit welchen minimalistischen Bewegungen Mehta in der Ouvertüre zu „Oberon“ von Carl Maria von Weber einen ahnungsvollen, echt romantischen Klang erschafft. Auch das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven wird in der Philharmonie keiner schnöden Entzauberung unterzogen. Mehta und die Philharmoniker spinnen die symphonische Einleitung mit Liebe und Geduld aus.

Wenn die Entwicklung bisweilen sogar, wie hypnotisiert, fast stille steht, weiß die Geigerin Lisa Batiashvili diese Zeit auszufüllen. Ihr Ton ist von kristalliner Süße, aber ohne Süßlichkeit, ihre Phrasierung gleitet elegant dahin, in der Kadenz aber steuert sie mit glühendem Ton energisch auf einen Höhepunkt zu.

Neun Werke dirigierte Zubin Mehta in dieser knappen Woche. Wenn man eine Interpretation mit einem Preis krönen könnte, wäre es die von „Les Préludes“. Mit seidigen Streichern, satten Bläsern und ganz ohne Triumphgeheul gießen die Philharmoniker die Tondichtung von Franz Liszt in eine einzige Form. Da ist es wieder, das Phänomen, dass die Orchester unter Zubin Mehta immer ein bisschen schöner klingen. Es ist eine grandiose Spätzeit, die wir bei diesem Dirigenten beobachten können.

Das erste Konzert kann man noch knapp einen Monat lang auf www.br-klassik.de anhören, das zweite noch bis zum 4. Februar auf mphil.de/stream anhören und anschauen.

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