Queen Elizabeth: Nachruf auf eine Monarchin, die unvergessen bleibt

Queen Elizabeth, geboren als Elizabeth Alexandra Mary Windsor, Prinzessin von Großbritannien und Nordirland, starb am 8. September 2022. Und auch, wenn nun der klassische monarchische Zweiklang aus "Die Königin ist tot, es lebe der König" folgen wird, denn es muss ja irgendwie weitergehen: Die Lücke, die sie reißt, wird kein noch so engagierter König Charles füllen können.  

Als Elizabeth am 21. April 1926 als ältestes Kind ihrer Eltern, des Herzogspaars von York, in London Mayfair zur Welt kam, war kein Gedanke daran, dass sie einst auf dem britischen Thron sitzen könnte. Männer regierten die Welt. Das Frauenwahlrecht war erst wenige Jahre alt. Ein Krieg lag hinter Europa. Eine Weltwirtschaftskrise sollte folgen. Sie war nicht einmal ein Sohn, sondern nur die Tochter eines Nicht-Kronprinzen. Ihr Vater Prinz Albert, Duke of York, war der zweite Sohn von König George V. Ein kränkliches, schüchternes Kind. Kein Herrscher-Material für Großbritannien, Indien und den ganzen Commonwealth. 

Elizabeths Mutter, Elizabeth Bowes-Lyon, mit der der Duke of York seit 1923 verheiratet war, stammte aus einer schottischen Adelsfamilie. Eine kluge, willensstarke Frau war sie, mit guten Gespür für die Pflichten der Monarchie. 

1936 – Elizabeth war gerade zehn Jahre alt, inzwischen hatte sie eine zwei Jahre jüngere Schwester, aber weiterhin keinen Bruder – änderte sich das Leben der Prinzessin komplett: König George V. starb. Sohn Edward wurde sein Nachfolger. Und warf nach nur elf Monaten hin, weil das Parlament ihm nicht erlauben wollte, seine geschiedene amerikanische Freundin, Wallis Simpson, zu heiraten und zur Königin zu machen. Ein Riesenskandal, der die Familienmitglieder zwang, ihr bisheriges Leben über den Haufen zu werfen. Edward zog sich als Duke of Windsor mit seiner Liebsten ins Ausland zurück. Und der schüchterne, immer noch leicht stotternde "Bertie", Elizabeths Vater, wurde als George VI. König. Elizabeth war plötzlich Kronprinzessin. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt der Krönung 36 Jahre alt, dass Elizabeth noch einen Bruder bekommen würde, der ihr als Thronfolger vorgezogen würde, schien unwahrscheinlich. 

Sie widmete ihr ganzes Leben der Krone


Das änderte sich für die neue Königsfamilie 

Die Familie zog aus ihrem gemütlichen Stadthaus in den Palast. Elizabeth, die mit ihrer Schwester zu Hause unterrichtet worden war, bekam nun Unterricht in Verfassungskunde, in Recht und Geschichte. Doch bei öffentlichen Auftritten und Touren wurden die Kinder nach Möglichkeit ausgespart. Wenn die Eltern auf Auslandsreisen gingen, blieben die Prinzessinnen weiterhin daheim, hielten aber per Brief und Telefon Kontakt. Dass die Familie eng verbunden war, zeigte sich in der Krisenzeit des Zweiten Weltkriegs. Die Königin, Elizabeth, und ihre Töchter wurden von der Regierung gebeten, im Ausland ins Exil zu gehen, zu ihrer eigenen Sicherheit. Doch von der damaligen Königin ist das Zitat übermittelt: "Die Prinzessin werden nicht ohne mich gehen, ich werde nicht ohne den König gehen, und der König wird niemals gehen." Also blieb die Familie auch in den Kriegsjahren in England (in Balmoral, später Sandringham und Windsor) und versuchte von dort aus, die Moral der Bevölkerung zu stärken. Die Prinzessinnen sammelten Geld, und im Oktober 1940 hielt Elizabeth in der Sendung "Children’s Hour" der BBC ihre erste Rundfunkansprache, die sich an andere Kinder im Land richtete. Sie wurde Ehrenoberst der Grenadiers, bevor sie auch nur 16 Jahre alt war, und Teil des Staatsrates, als sie 18 Jahre wurde. Königliche Kindheiten – so beschützt sie auch sein mögen – enden im Zweifelsfall früher als andere. 

Elizabeth trat den Auxiliary Territorial Services bei (einer Art militärischem technischen Hilfswerks) und lernte dort nicht nur Lastwagen zu fahren, sondern auch sie zu reparieren. Dies im Hinterkopf wird verständlich, wie sehr die Queen in ein Leben hineinwuchs, in dem Pflichterfüllung über alles geht und der Dienst am Volk der oberste Leitsatz ist: Nie hat sie von ihren eigenen Eltern etwas anderes gesehen.  

Die große Liebe: Prinz Philip von Griechenland und Dänemark 

Die eine, einzige Stelle, an der die junge Elizabeth ihre eigenen Interessen über den royal leichtesten Weg stellte, an dem sie ihren Kopf durchsetzte: das war die Liebe. Es hätte sicher naheliegendere, einfacherer Kandidaten gegeben als den Marineoffizier mit griechisch-dänisch-deutschem adligen Hintergrund. Doch Elizabeth hatte sich schon als Teenager in Philip verguckt und wollte keinen anderen. Acht Jahre nach ihrem ersten Kennenlernen wurde die Verlobung von Prinzessin Elizabeth und Philip Mountbatten bekanntgegeben, der seine griechischen und dänischen königlichen Titel abgegeben, Brite und Mitglied der anglikanischen Kirche geworden war und den Familiennamen der inzwischen als britischer Adel geltenden Familie seiner Mutter angenommen hatte.  

Im November 1947 wurde geheiratet, Philip war zu dieser Zeit noch aktiver Soldat. Zuerst war er in Greenwich eingesetzt, 1949 jedoch wurde er nach Malta abkommandiert – und seine Frau Elizabeth folgte ihm. Sie beschrieb die Zeit auf der Insel später als eine der schönsten in ihrem Leben. Sie sollte allerdings nur ein Jahr dauern. Philip erhielt ein anderes Flottenkommando und reiste viel – während die Gesundheit des Königs sich zusehends verschlechterte. Elizabeths Platz wurde und blieb ab 1951 England. 

Bei all dieser engen familiären Bindung und Elizabeths großem Pflichtbewusstsein scheint es umso tragischer, dass sie letztlich – jobbedingt – nicht an der Seite ihres Vaters sein konnte, als er im Februar 1952 starb. Ende Januar hatte er entgegen des Anratens seiner Ärzte Elizabeth und Philip noch selbst zum Abflug begleitet, als sie zu einem Staatsbesuch in afrikanische Länder aufbrachen. Die Nachricht vom Tod des Königs erreichte das Paar am 6. Februar in Kenia und es war Philip, der seiner Frau sagen musste, dass ihr Vater tot sei. An dieser wie an vielen weiteren Stellen ihres jahrzehntelangen Weges war Philip ihre „Stärke und ihr Halt“, wie sie selbst es bei den Feierlichkeiten zum 70. Hochzeitstag beschrieb. Dass Elizabeth diesen streitbaren, argumentationsstarken, weltgewandten, kritischen Mann an ihrer Seite hatte, war sicher ein Punkt, der sie stark beeinflusst hat. Viele ihrer Reden hat sie zuerst mit ihrem Mann diskutiert, verriet sie, und er habe sich nie gescheut, kritische Worte zu finden. Natürlich gab es auch zwischen den beiden schwierige Zeiten. Affärengerüchte, Unstimmigkeiten über Kindererziehung, Familienkonflikte, Wohnorte. Doch letztlich waren beide ein Paar, das auch im hohen Alter sich noch gegenseitig mit wachem Verstand inspirieren, stützen, anspornen und zum Lachen bringen konnte. Die Ehe mit Philip durchzusetzen war eine von Elizabeths besten Lebensentscheidungen. 

Krönung 1953 

Als die Queen 1953 gekrönt wurde, regnete es. Dennoch waren Tausende Zuschauer auf den Straßen, rund zehntausend in irgendeiner Form Bedienstete des Königshauses aus allen Ländern des Commonwealth waren Teil einer Prozession, die fast eine Stunde brauchte, um am Zuschauer vorbeizuziehen. Ebenso beeindruckende Dimensionen hatte das nächste Projekt der jungen Königin: eine halbjährige Commonwealth-Tour von November 1953 bis Mai 1954. Fast 65.000 Kilometer lang war die Reiseroute. Die neue Monarchin wollte gesehen werden, Menschen treffen und Bindungen zu den Commonwealth-Ländern stärken. Eine Investition in die Zukunft, denn am Ende von Elizabeths Herrschaft steht der Bund der Länder, die historisch mit England verbunden sind, stärker und vereinter da als zuvor. 

Die Ehe von Charles und Diana 

Diese Ehe und ihre Folgen dürften eins der Themen sein, die die Queen sicher am meisten gefordert haben – und das, obwohl es eigentlich etwas sein sollte, dass ihr Sohn gut selbst privat geregelt bekommen sollte. Privatleben. Doch die Ehe eines Thronfolgers ist allen Bemühungen zum Trotz etwas sehr Öffentliches. Charles‘ unstetes Junggesellentum, der Druck auf ihn zu heiraten, die ausgewählte Kandidatin, gute Absichten, üble Fehleinschätzungen, eine sensationsgierige Presse – viele Fallstricke führten dazu, dass die "Hochzeit des Jahrzehnts", die 1981 zwischen Charles, Prince of Wales, und Lady Diana Spencer gefeiert und vor einer Weltöffentlichkeit zelebriert wurde, in ein Ehedrama mit tragischem Schluss mündete: einer Scheidung 1996 und Dianas Tod ein Jahr später. 

Während die Queen es lange schaffte, sich aus den viel zu privaten Verwicklungen herauszuhalten, weder Charles‘ und Camillas Affäre noch Dianas TV-Auftritte noch die Scheidung zu kommentieren und damit in Verbindung gebracht zu werden, gab es auch den Punkt, an dem diese Distanz zum Problem wurde. Als Diana 1997 Opfer eines Autounfalls nach einer Flucht vor Paparazzi wurde, blieb die Queen mit und bei den Enkeln in Balmoral. Reiste nicht nach London, trauerte nicht auf mit dem Volk um dessen "Königin der Herzen". Ein Fehler, wie sie dann auch einsehen musste. Spät wandte sie sich in einer Rede vor dem Fenster des "Buckingham Palace" und mit dem Platz, auf dem Millionen Blumen zum Gedenken an Diana abgelegt waren, im Rücken an die Menschen. Ihr Statement war ein kluges, aus der Sicht der Großmutter, aus der Sicht eines Familienmitglieds. Sie schaffte es damit, einen Teil der Distanz zum Volk wieder zu überbrücken. Wärme und echte Trauer zu vermitteln, bevor sie vollends zu herzlosen, kalten Person stilisiert worden war. Aber es war eine knappe Angelegenheit und die Herrschaft der Windsors sicher nie so wacklig wie in diesen Tagen im Sommer 1997.  

Goldenes, Diamantenes und Platin-Thronjubiläum 

Queen Elizabeth – so fühlt es sich für die Menschen an – war ewig auf den Thron, sie begleitete ganze Generationen. Das spiegelt sich auch in den großen Thronjubiläen, die sie begehen konnte. Nicht immer unter einfachen Umständen – im Jahr ihres goldenen Jubiläums beispielsweise, 2002, starben sowohl ihre Schwester als auch ihre Mutter, die Queen Mum, vor den Feierlichkeiten. Die Königin musste sich dennoch zeigen, trat sogar größere Reisen in Commonwealth-Staaten an. Auch London feierte drei Tage lang die 50 vollendeten Jahre als Königin.

Das diamantene Jubiläum 2012 wurde sogar noch opulenter gefeiert. Die Queen und ihre Familie winkten geduldig einer Parade von 1000 Booten und Schiffen auf der Themse zu – welche Standfestigkeit und Ausdauer das verlangt! Und da in dem Jahr auch die Olympischen Sommerspiele in London zu eröffnen waren, ließ Elizabeth ausnahmsweise weltöffentlich ihren Humor durchschimmern, der ihr im privateren Rahmen so oft attestiert wird, und drehte mit "James Bond" Daniel Craig einen kleinen Einspieler, in dem er sie und ihre Corgis aus dem Palast abholt und beide mit Fallschirmen über dem Olympiastadium abspringen, auf dass sie dort die Spiele eröffne. Mit 86 Jahren wurde sie so nicht zum Bond-Girl, aber einer Bond-Frau. Das Publikum war von den Socken. 




Queen Elizabeth Die schönsten Bilder ihres 70. Thronjubiläums

Das 70-jährige Thronjubiläum der Queen im Jahr 2022 war ein rauschendes viertägiges Fest. Doch begleitet vom Zittern, wie viel die Königin sich noch zumuten kann. Die Corona-Pandemie war noch nicht überwunden. Auch die Queen war krank gewesen. Kraft und insbesondere Mobilität der inzwischen 96-Jährigen schwanden langsam. "Trooping the Colour", die Militärparade, nahm diesmal Prinz Charles für seine Mutter ab. Auch der Dankgottesdienst und das Konzert mussten ohne sie stattfinden. Doch für den "Flypast" der Air Force und das jubelnde Volk am Donnerstag sowie die große Abschlussparade durch die Straßen am Sonntag kam Elizabeth II. dann doch auf den berühmten Balkon des Buckingham-Palasts. Im Kreise der Familie plauderte und grüßte sie und wirkte durchaus  vergnügt angesichts des großen Spektakels.

Eine Monarchin für immer 

Schon seit September 2015 war Elizabeth länger Monarchin ihres Landes als ihre berühmte Ahnin, Queen Victoria. Gleichzeitig war sie die älteste und die am längsten regierenden  Herrscherin unter allen aktuellen Monarchen überhaupt. Rekorde über Rekorde, die Queen Elizabeth mit mildem Lächeln, eisernem Pflichtbewusstsein und buntem Hut abnickte – und immer weitermachte. Bis auf Auslandsreisen, die sie schon seit einem Jahrzehnt den jüngeren Generationen überließ, wirkte ihr Terminkalender jedes Jahr wieder so voll wie auch in den 70 Jahren zuvor. Schirmherrin von über 600 wohltätigen und ehrenamtlichen Organisationen war sie, und alle benötigten ihre Aufmerksamkeit. 

Abschied von Prinz Philip

Die Tatsache, dass sogar Prinz Philip sich bereits aufs Altenteil zurückgezogen hatte und seine Zeit lieber mit Kutschfahrten in Sandringham Park und Büchern vor dem Kamin verbrachte, ließ die Queen kein Stück wanken. Die Beziehung der beiden wurde eine Wochenendbeziehung, weil sie während der Woche in London lebte und arbeitete. Doch sah man die beiden zusammen, so war die alte Vertrautheit weiterhin da. Und so überraschte es niemanden, dass der Tod des Duke of Edinburgh am 9. April 2021 der heftigste Einschnitt im Leben der Königin war. Sein starker Arm war nicht zu ersetzen. Und das Alter schien ab jetzt letztlich auch von der ewigen Monarchin Tribut einfordern zu können.

Die Frau hinter der Königin 

Queen Elizabeth gelang es über weite Strecken ihres Lebens, in der Öffentlichkeit vor allem die Königin zu sein und wenig hinter die Kulissen blicken zu lassen. Dahinter steckt der tiefe Glaube daran, dass es wichtig sei, dass die Königsfamilie dem Zeitgeist enthoben und ein Symbol von Traditionen und Kontinuität sein muss, um ihre Rolle ideal zu erfüllen. Zum anderen der unbedingte Wille, apolitisch und neutral zu sein und nicht zu spalten. All dies erfordert ein wenig Abstand vom täglichen Leben – und auch einen gewissen Zauber, der nicht durch Alltag getrübt werden soll. 

Manchmal wurde das Königshaus geschickt auf Umwegen persönlicher und nahbarer. In Jubiläums-Einspielern fürs TV sprachen zum Beispiel Kinder und Enkel in den letzten Jahren über die bewusst Interview-scheue Elizabeth. Social-Media-Accounts veränderten die Kommunikation mit den Massen und bei Familienevents wie Hochzeiten und Geburten wissen die Windsors die damit einhergehende Euphorie natürlich immer schon für die passende PR zu nutzen. 

Trotzdem hat die Queen mehrfach negative Erfahrungen mit Dokumentationen gemacht, die ihre Familie präsentieren sollten, und blieb daher insgesamt zurückhaltend. Wenn sie die Zurückhaltung aufgab – wie in einigen Fotoshootings, in dem Bond-Auftritt, in einem witzigen kurzen Clip mit Prinz Harry anlässlich seiner Invictus Games oder dem seltenen Interview, in dem sie mit einem altgedienten Royalreporter darüber fachsimpelt, wie bequem oder unbequem ihre Kronen seien und wie man Vorder- und Rückseite der Schmuckstücke auseinanderhält – dann sah man eine Frau, die handfest war, spöttisch, humorvoll und sicher nicht abgehoben. Die ihre Kinder liebte, ihre Pferde (man erinnere sich an ihr entspanntes Lachen und Gewinnerjubel, wenn ihre Pferde in Ascot siegten!) und ihre Hunde. Die ihr ganzes Leben in den Dienst ihres Landes gestellt hat und damit nie öffentlich haderte. Aus ihrem Umfeld ist das Zitat überliefert "Sie wäre eine großartige Freundin, wenn sie bloß nicht die Königin wäre."

Wer je ein Vorbild suchte für Tugenden wie Pflichtbewusstsein und Disziplin, für Durchhaltevermögen und die Kunst, sich auf viele unterschiedliche Menschen einzustellen und einzulassen: in Queen Elizabeth hatte er es gefunden.  

Noch können sich viele Menschen in Großbritannien und dem Commonwealth sowie unzählige Fans weltweit nicht vorstellen, wie das britische royale Leben ohne die Frau, die Kopf und Herz sowie quasi die aktuelle Jahrhundertgeschichte des Ganzen war, weitergehen kann.  

Wünschen wir König Charles das Allerbeste für die Aufgaben, die jetzt vor ihm liegen. 

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